Sonntag, 28. Juli 2024

19. April 1909: Diakon Jim Miller, aka "Miller, the Killer", wird gelyncht

 Am 19. April 1909 fand die "Laufbahn" des bibelfesten Auftragsmörders Jim Miller ein jähes Ende: "Killer Miller" wurde von einem aufgebrachten Lynchmob aus seiner Gefängniszelle in Ada, Oklahoma, gezerrt und zusammen mit drei Komplizen an einem Dachbalken einer im Bau befindlichen Scheune aufgehängt.

Jim Miller lynched
Jim Miller lynched 23 Apr 1909, Fri Carlsbad Current-Argus (Carlsbad, New Mexico) Newspapers.com

Nachdem er im Auftrag dreier Rancher einen konkurrierenden Rinderzüchter namens A.A. Bobbitt ermordet hatte, verpfiff ein Mitwisser der Tat Miller und seine Komplizen an die Justiz. Jim Miller, dem zwischen den Jahren 1894 und 1909 wenigstens zwölf Morde zugeschrieben werden (die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich noch deutlich höher), hatte es bis dahin bestens verstanden, dem Gesetz auszuweichen. Obwohl er mehrmals wegen Mordanklagen vor Gericht landete, besaß Miller immer ein Alibi für seine Taten und verstand es bestens, keine Beweise zu hinterlassen. In der Nacht bevor er Sheriff "Bud Fraser" in Pecos City ermordete soll der gläubige Methodist Miller - der als so religiös galt, dass er in seinem Heimatort auch als "Deacon Jim", also Jim der Diakon, bekannt war - zu Hause eine Bibellesung gehalten haben. Anschließend ritt er in finsterer Nacht 40 Meilen nach Pecos City, vollstreckte seine Tat und ritt umgehend zurück, um am nächsten Morgen zu Hause die Kirche aufsperren zu können.

Auch wenn in weiten Teilen von Oklahoma und Texas Miller als "Killer" berüchtigt war, kam es nie zu einer Verurteilung. Daher fasste die Bevölkerung von Ada, Oklahoma, den Beschluss, nach seiner jüngsten Tat nicht ein weiteres Mal auf eine Verurteilung Millers zu hoffen und statt dessen das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen. Augenzeugen zufolge soll Miller die Taten des Lynchmobs gelassen abgewartet haben und am Ende noch kaltschnäuzig darum gebeten haben, man möge ihm doch bitte seinen Hut aufsetzen, als er bereits den Strick um den Hals gelegt bekam.

Jim Miller- hanging : page 1
Jim Miller- hanging : page 1 19 Apr 1909, Mon Abilene Semi-Weekly Farm Reporter (Abilene, Texas) Newspapers.com

Mittwoch, 24. Juli 2024

Kuriose Anzeigen aus dem Wilden Westen

Beim Durchstöbern alter Zeitungen aus der Zeit des Wilden Westens fallen mir immer wieder die Anzeigen auf, die aus heutiger Sicht kurios oder sonderbar erscheinen. In diesem Blogpost wollte ich einmal eine kleine Auswahl solcher Werbungen auflisten. 


Auslöser dieser kleinen Werbeschau ist diese Anzeige für Asbest-Dachdecken, gefunden im "The Daily Independent" aus Laramie City, Wyoming vor genau 150 Jahren (24. Juli 1874). "Praktisch Feuerfest", "weist Wasser effektiv ab", "das beste Produkt im Markt" - in solchen und ähnlichen Tönen werden die Wunder und Vorzüge aufgelistet, warum die (zu diesem Zeitpunkt) etwa 1000 Einwohner von Laramie ihre Häuser mit dem (heute nachweislich als gesundheitsschädlich und gefährlich bekanntem) Asbest decken sollten! 



Kokain gegen Haarausfall? Das scheint diese Anzeige aus dem Jahr 1879 zu implizieren! Die stimulierende Wirkung von Kokain galt in diesen Tagen als regelrechtes Wundermittel. Es ist nicht ganz klar, ob es sich in diesem Fall nicht eventuell um Etikettenschwindel handelt: Eine Flasche des Produkts aus dem Jahr 1906 soll laut Smithsonian Institute einfach nur zu je 50% aus Alkohol und Kokosfett bestehen... deswegen wohl auch "CocoA-ine". Aber in den 1880er Jahren war Kokain in mehreren Patentarzneimitteln enthalten: Kokain-Lutschtabletten wurden als wirksame Mittel gegen Husten, Erkältungen und Zahnschmerzen empfohlen (wie die unten gezeigte Anzeige aus dem März 1885 verdeutlicht). Ärzte und Apotheker verschrieben es häufig zur Behandlung von Verdauungsstörungen, Melancholie, Schmerzen und sogar zur Linderung von Erbrechen in der Schwangerschaft. Kokain war weithin verfügbar und konnte rezeptfrei erworben werden. Es wurde in Hustenmitteln, Einläufen und Umschlägen verwendet. Bis 1885 wurde Kokain in verschiedenen Formen verkauft - als Zigaretten, Pulver und sogar als Injektion mit einer Nadel. In der Medizin wurde es häufig als Lokalanästhetikum verwendet.


Allerdings kam Kokain um die Jahrhundertwende mehr als Droge in Verruf und verschwand um diese Zeit immer mehr aus handesüblichen Produkten. Ein Paradebeispiel: Im Jahr 1885 führte ein gewisser John Styth Pemberton aus Atlanta, Georgia, der zuvor Patentarzneimittel wie Triplex Liver Pills und Globe of Flower Cough Syrup hergestellt hatte, „French Wine Coca“ im Markt ein, das als „ideales Nerven- und Stärkungsmittel“ beworben wurde. Das Produkt basierte in hohem Maße auf dem Extrakt von Cocablättern. Im Jahr (1886) darauf brachte Pemberton einen Sirup namens „Coca-Cola“ auf den Markt, der nach einem Extrakt aus der Kolanuss benannt war. Zu verschiedenen Zeiten wurde er als „bemerkenswertes therapeutisches Mittel“ und als „souveränes Heilmittel“ für eine lange Liste von Beschwerden, einschließlich Melancholie und Schlaflosigkeit, beworben. Coca-Cola enthielt einst schätzungsweise neun Milligramm Kokain pro Glas. (Zum Vergleich: Eine typische Dosis oder „Linie“ von Kokain beträgt 50-75 mg.) 1903 wurde das Kokain schließlich aus dem "Coca-Cola" Sirup entfernt.


Schrotflinten und Kakao - Diese Anzeige aus einer Zeitung in Missouri aus dem Jahr 1879 finde ich vor allem wegen der - heute eher befremdlichen - Kombination der beworbenen Produkte amüsant.

"Die größte Show auf Erden" - P.T. Barnum kommt nach St. Louis! Der Schausteller war für seinen wandernden Zirkus - und nicht nur für die darin gezeigten artistischen Darbietungen, sondern auch für die ausgefeilten "Wunder und Sensationen" - die häufig nicht viel mehr waren als mit erfundenen Hintergrundgeschichten ausgestatteten Tricks und Täuschungen" - im ganzen Land berühmt. Da es Barnum aber auch wie kaum ein anderer in dieser Zeit verstand, die Werbetrommel zu rühren (wie diese ganzseitige Anzeige im St. Louis Post-Dispatch vom 11. August 1879 eindrücklich zeigt), gelang es ihm dennoch, Tausende Schaulistiger in seine Shows zu ziehen. "There's a sucker born every minute" ("Jede Minute wird ein Trottel geboren") ist ein Ausspruch, der dem "größten Showman aller Zeiten" gerne zugeschrieben wird.


Wo bekamen Bürger im Wilden Westen, vor 150 Jahren, ohne Internet und fernab jeder Buchhandlung, Gesetzestexte oder Vorlagen für rechtliche Dokumente und Urkunden her? Natürlich von ihrer lokalen Tageszeitung, wie der Cheyenne Daily Leader (Cheyenne, Wyoming) am 24. Juli 1874 selbst bewirbt. Amüsant auch, dass zwischen diese Eigenwerbungen auch eine Kleinanzeige zum Verkauf zweier Stuten samt Junghengsten eingebettet ist.


Warnung vor Nähmaschinen-Plagiaten, gefunden in der "Freien Presse für Texas" (San Antonio, Texas) aus dem März 1881. Auch im tiefsten Texas ist diese Anzeige irgendwie typisch deutsch, bewirbt sie doch Qualitätsarbeit, 6 Jahre Garantie und den Verweis, "echte" White-Nähmaschinen nur von "regulären authorisierten Verkäufern" zu beziehen. Und wo wir schon bei der deutschen Gemeinde im texanischen Wilden Westen sind...



...den etwa 4.000 Einwohnern des texanischen Ortes Brenham schien überaus wichtig gewesen zu sein, in welchen Lokalitäten überall der Mai-Bock von Anheuser-Busch bezogen werden kann, wie dieser Ausschnitt vom 24. April 1881 verdeutlicht (die 9 hier gezeigten Kleinanzeigen sind beileibe nicht die einzigen!). 



Sonntag, 21. Juli 2024

21. Juli 1865: Der Hickock-Tutt-Shootout; "Das" High-Noon-Westernduell

 Am 21. Juli 1865 ereignete sich in den Straßen von Springfield, Missouri, eines der berühmtesten Duelle des Wilden Westens, das wohl als Grundlage für den typischen Western-Gunfight dienen sollte: James Butler "Wild Bill" Hickock, schon damals kein Unbekannter - eine Zeitung dieser Tage nennt ihn "Wild Bill, den Scout", da er als solcher in den Reihen der Union während des Bürgerkriegs bekannt war - lieferte sich einen Schusswechsel mit David Tutt, einem ehemaligen konföderierten Soldaten. 

Dem Duell war, fast schon Western-typisch - ein Pokerspiel vorangegangen: Tutt forderte von Hickock 35$, die dieser ihm angeblich schulde. Hickock meinte, dass es nur 25$ seien, und das er ein Schriftstück in seinem Zimmer hätte, um dies zu belegen. Daraufhin griff Tutt Hickock's Taschenuhr, die jener auf dem Tisch vor sich liegen hatte, und kündigte an sie als Pfand zu behalten, bis Hickock seine Schuld beglichen habe.

Harper's New Monthly Magazine, Februar-Ausgabe 1867

In den folgenden Tagen sollte Tutt damit prahlen, den so berühmten Hickock um den Finger gewickelt zu haben. Freunde von Tutt begannen, Hickock zu sticheln, das Tutt vorhabe seine Uhr am nächsten Tag offen auf dem Platz an seiner Brust zu tragen, bis dieser sich zu der Aussage hinreißen ließ: „Er sollte nicht über diesen Platz kommen, es sei denn, Tote können laufen."

Entgegen allgemeiner Meinung fand das Duell nicht exakt zur Mittagsstunde, High Noon, statt: Zwar begegneten sich Hickock und Tutt am 21. Juli 1865 auf besagtem Platz, aber ein mit beiden bekannter Mann namens Eli Armstrong versuchte zu schlichten. Hickock bestand darauf, dass die Schuld nur 25$ betrüge; Tutt blieb dabei, dass es 35$ seien, und verlangte nun zusätzlich 10$ "Zinsen", ehe er die Uhr zurückgebe. Hickock wiederholte seine Drohung, ehe die beiden Streithähne wieder auseinandergingen.

Gegen 18 Uhr betrat Hickock, den Revolver in der Hand, erneut den Platz. Dort fand er Tutt vor, die Uhr an der Brust, der bei Hickocks Anblick ebenfalls die Hand zum Revolver gehen ließ. Nach einer kurzen Weile hoben beide ihre Waffen und feuerte jeweils einmal; Tutt verfehlte, während Hickock seinen Kontrahenten zwischen die Rippen traf, der sich noch zu seinen Freunden umdrehte und "Jungs, ich bin getötet" sagte, ehe er tot zusammenbrach. Hickock soll anschließend seine Waffe auf jene Freunde gerichtet und gerufen haben "Seid ihr nicht zufrieden, Gentlemen? Zeigt eure Schießeisen, oder es gibt hier bald noch mehr tote Männer!" Die so angesprochenen folgten der Aufforderung, und der Tag endete ohne weiteres Blutvergießen.

wild bill Springfield Weekly Patriot
27 Jul 1865, Thu · Page 3
wild bill Springfield Weekly Patriot 27 Jul 1865, Thu · Page 3 27 Jul 1865, Thu Springfield Weekly Patriot (Springfield, Missouri) Newspapers.com


Holt County Sentinel vom 4. August 1865; Quelle: Chronicling America - Library of Congress

Auch die der Schießerei folgende Gerichtsverhandlung sollte als typische Mustervorlage für spätere "Western-Rechtssprechung" dienen. Hickock stellte sich selbst dem Gesetz, und nur einen Tag später fand sich "Wild Bill" vor Gericht wieder. Die Anklage lautete auf Mord: Schließlich war Hickock, Waffe in der Hand, auf den Platz gekommen und hatte im Vorfeld mehrmals seine Tat angedroht. Doch am Ende befand die Jury auf Freispruch: Die Aggression sei von Tutt ausgegangen, als er die Uhr an sich genommen hatte; Hickock habe Tutt mehrmals die Möglichkeit gegeben, die Sache beizulegen, was jener verweigert habe; und schließlich hätten beide Männer aufeinander geschossen, Hickock habe also auch aus Notwehr gehandelt.

Das Duell ist nicht zuletzt eines der Bekanntesten seiner Art, weil es sehr viele Zeugen sowohl von der Vorgeschichte als auch dem Vorfall selbst gab. Das im ganzen Land erscheinende Harper's New Monthly Magazine nahm den Vorfall zum Anlass, Hickock eine mehrseitige Reportage zu widmen; was den nicht einmal 30 Jahre alten "Wild Bill" endgültig als Revolverhelden bekannt machen sollte.


Mittwoch, 17. Juli 2024

Vor 150 Jahren: "2000 Cheyenne, Kiowa und Arapaho auf dem Kriegspfad"

 Der Daily Express aus San Antonio, Texas, hält in seiner Freitagsausgabe vom 17. Juli 1874 die folgende Nachricht für seine Leser bereit: 

Quelle: Texas Digital Newspaper Program in The Portal to Texas History. University of North Texas Libraries. accessed July 17, 2024

"John D. Miles, Indianeragent der Cheyenne und Arapahoe Agency am North Fork of Indian River, telegraphiert am 7. Juli aus Osage City, Kansas, nach Washington, dass 2000 Cheyennes, Kiowas und Arapahoes auf dem Kriegspfad sind. Er sei mit einer kleinen Eskorte von der Agency nach Osage City gereist, wisse von fünf ermordeten Männern, von denen einige an ihre Wagen gefesselt und verbrannt worden seien, und er fürchte um die Sicherheit anderer Züge. Er fordert lautstark Truppen zur Bestrafung dieser Indianer. Sie hatten auch eine Ranch am Canadian River überfallen, drei Weiße getötet und wurden zurückgeschlagen, wobei sie elf ihrer Leute verloren.

In der Depesche heißt es, Kommissar Smith habe im vergangenen Jahr empfohlen, diese Stämme, die in Texas zahlreiche Raubzüge verübten, vollständig zu unterwerfen und sie zu zwingen, ihre Anführer aufzugeben. Dies wurde nicht getan, und die Unruhen gehen jetzt von demselben turbulenten Teil der Stämme aus, von denen die meisten friedlich im Reservat Fort Sill leben, wo Satanta, Big Tree und ihre anderen prominenten Häuptlinge noch immer in Übereinstimmung mit ihrer Vereinbarung leben."

Dieser Artikel ist beispielhaft für eine Reihe anderer Beiträge, die in der Zeit der sogenannten Indianerkriege gedruckt wurden und welche die Spannungen zwischen weißen Siedlern und Natives, vor allem in Regionen wie Kansas oder Texas, darlegten. 

Zum Hintergrund: Schon vor dem Bürgerkrieg hatten die Spannungen zwischen indigenen Völkern - speziell in diesem Fall Cheyenne, Kiowa und Arapahoe - und weißen Siedlern zugenommen, als nach Goldfunden auf dem Gebiet der Natives Siedler in ihr Gebiet vordrangen und die amerikanische Regierung, statt die Siedler zurückzuhalten, alte Verträge mit den einzelnen Stämmen ignorierte oder einseitig aufkündigte. Als der amerikanische Bürgerkrieg begann, verbündeten sich Cheyenne, Kiowa und Arapahoe mit dem Ziel, den "Bruderkrieg zwischen den Staaten" zu nutzen und die Weißen auf eigene Faust zurückzudrängen. Die US Armee reagierte drastisch: am 29. November 1864 griffen im "Sand Creek Massacre" etwa 700 Soldaten der 3rd Colorado Cavalry unter Leitung des US volunteer General John Chivington ein mutmaßliches Kriegslager der Kiowa und Arapahoe an. Doch statt eines Kriegerlagers fanden die Soldaten friedliche, zivile Natives vor. Als die  einseitige "Schlacht" vorüber war, waren (nach einigen Schätzungen) bis zu 600 Cheyenne und Arapahoe tot - die meisten davon Frauen und Kinder. Ironnischerweise befanden sich unter den getöteten Stammesführern der beiden Völker überwiegend jene, die versucht hatten, auf ein friedliches Miteinander zwischen Natives und weißen Siedlern hinzuarbeiten. Statt dessen schlugen sich die meisten Kämpfer der indigenen Allianz nun auf die Seite der sogenannten "Dog Soldiers", Kriegshäuptlingen wie Satanta oder Big Tree, die den aktiven Krieg mit den Weißen suchten (Satanta hatte tatsächlich zuvor selbst zu den gemäßigten Kiowa gehört, die eher den Frieden suchten). Trotz diverser neuer Friedensverträge sollten sich die Feindseligkeiten über diesen Vorfall noch jahrzehntelang erhalten - und in Kriegsbanden wie der im obigen Artikel erwähnten niederschlagen. Speziell die Kiowa sollten unter dem Vorfall nachhaltig leiden, war ein großer Teil ihrer Führungsstruktur in diesem Angriff getötet worden; der "letzte Häuptling der vereinten Kiowa", Dohäsan, starb 1866, und das Volk zersplitterte in kleinere Stammesverbände. (Der Vermerk über den "friedlichen Verbleib" Satantas ist  in diesem Beitrag auch sehr bitter ironisch: Satanta war bis September 1873 im Staatsgefängnis von Huntsville inhaftiert, doch nachdem einige Augenzeugen schworen ihn bei einem Angriff der Kiowa bei der zweiten Schlacht von Adobe Walls gesehen zu haben - seine Präsenz dort ist bis heute umstritten, nicht zuletzt weil die Schlacht Ende Juni 1874 stattfand, während der hier gezeigte Artikel angibt, dass sich Satanta weiter in seiner Reservation aufhalte - wurde er im Oktober 1874 erneut verhaftet und in Huntsville inhaftiert, wo er 4 Jahre später Selbstmord beging).

Sonntag, 14. Juli 2024

14. Juli 1881: Billy the Kid erschossen

 Am 14. Juli 1881 fand Billy the Kid auf einer Ranch nahe Fort Sumner, New Mexico, seinen Tod: Sheriff Pat Garrett war gerade mit 2 Deputies dabei Pete Maxwell - einen mutmaßlichen Freund des Desperados - nach seinem Aufenthaltsorr zu befragen, als "The Kid" überraschend das Gebäude betrat. Garrett, der den Banditen an der Stimme erkannte, eröffnete das Feuer und traf Billy tödlich.

Auch wenn im Laufe der Jahre und Jahrzehnte die Taten von "Billy the Kid" oft romantisch verklärt wurden, hatten die meisten Zeitungen in New Mexico unmittelbar nach der Tat ein sehr klares Urteil zu dem Vorfall: ein Verbrecher und Mörder hatte endlich seinen Tod gefunden:

BillyBilly "Kid the Killer" killed 23 Jul 1881, Sat Las Cruces Sun-News (Las Cruces, New Mexico) Newspapers.com

und Pat Garrett als Held gefeiert.

death of Billy the Kiddeath of Billy the Kid 22 Jul 1881, Fri The Las Vegas Gazette (Las Vegas, New Mexico) Newspapers.com

22 Jul 1881, Fri The Las Vegas Gazette (Las Vegas, New Mexico) Newspapers.com

Die Art und Weise wie Billy The Kid ums Leben kam, und wie Pat Garrett im Anschluss versuchen sollte, seine Tat für eigene politische Zwecke auszuschlachten (unter anderem mit der Veröffentlichung einer sehr fehlerhafte Biographie des von ihm getöteten Outlaws) sollte allerdings in der folgenden Zeit auf wenig Gegenliebe stoßen - und zu den Gerüchten beitragen, dass Billy the Kid vielleicht doch überlebt haben könnte. Aber das ist eine Geschichte für ein anderes Mal.

Mittwoch, 10. Juli 2024

Deadwood, 1881: "In diesem, dem ziviliserten Teil des Wilden Westens, ist [das Tragen einer Waffe] unnötig"


Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet in einer Zeitung aus Deadwood , South Dakota - ja, DEM Deadwood aus der gleichnamigen TV-Serie - ein Beitrag über den verantwortungsvollen Umgang mit Schusswaffen zu finden wäre? Genau dieses tat die Tageszeitung "Black Hills Daily Times" am 20. Dezember 1881, als sie von der "Absurdität des Tragens von Revolvern oder Schusswaffen jeglicher Art in dieser Stadt" spricht:

20 Dec 1881, Tue The Black Hills Daily Times (Deadwood, South Dakota) Newspapers.com
Der Beitrag wirkt mit seiner Betonung der Friedlichkeit von Deadwood, seinen "gesetzestreuen" Bürgern" und dem Vermerk, dass das tragen einer Waffe "unsinn und gefährlich sei", umso absurder je mehr man bedenkt, dass die Fernsehserie Deadwood und seine Charaktere sehr wohl auf wahren Begebenheiten beruhten. Die TV-Serie spielte in den Jahren 1876 und 1877, der Deadwood-Film 1889 - Al Sverengen, Seth Bullock & Co. waren allesamt reale Bewohner des Ortes, als dieser Zeitungsartikel erschien! Demnach war "Charles Estelle, der Koch im Merchant's [...] der unglückliche Besitzer einer Pistole, für die er nie die Gelegenheit hatte, sie zu benutzen, und es wahrscheinlich auch nie gehabt hätte solange er in dieser gesetzestreuen Stadt verbleibt". Dennoch trug er eine Waffe bei sich, die ihm entglitt und auf den Boden stürzte, worauf sich ein Schuss löste der ihn "direkt oberhalb des Knies" ins Bein traf. "Die Wunde ist schmerzhaft, aber nicht weiter gefährlich als dass sie den Erleider sein Leben lang mit einem lahmen Bein an die Narretei des Tragens einer Waffe erinnern dürfte."
Die Schreiber der Zeitung betonen gleich mehrmals, dass Deadwood - das auch damals schon eher als ein weitgehend gesetzloser Ort berüchtigt war - weit weniger gefährlich sei als andernorts: "In Chicago, wo ein Mann jeden Moment von Schlägern angegriffen werden kann, würde ein Mann die übliche Vorsicht grob vernachlässigen, wenn er sich nicht bewaffnet. Aber in diesem, dem zivilisierten Teil des Wilden Westens, ist diese Praxis unnötig und gefährlich."
Aber Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel: In einem besonders schönen Beispiel von "Tut was ich sage, nicht was ich tue" muss der Autor dieses Beitrags seine Aussage allerdings auch wieder hinsichtlich einer Berufsgruppe revidieren: "Natürlich müssen Redakteure bewaffnet sein, denn die unerbittliche Pflicht kann sie dazu zwingen, einen Menschen um eines Artikels willen zu töten; aber Redakteure sind kluge und besonnene Männer und spielen nicht mit einer Waffe herum, wenn sie sie nicht benutzen wollen."

Freitag, 5. Juli 2024

Iowa: "Dinosaurier mit Kanone erlegt!"

 Ostküsten-Zeitungen liebten es, über den Wilden Westen zu berichten. Nicht nur wegen der Schießereien und Überfälle, sondern auch wegen der Naturwunder und den ungewöhnlichen Tierarten, die an der Frontier zu finden waren und die an der Ostküste wie auch in der "alten Welt" weitgehend unbekannt waren. Einige erfindungsreiche Schreiberlinge, wie beispielsweise John Maher aus Chabron in Nebraska, nutzten diesen Umstand aus, um Zeitungen in großen Städten wie New York, Boston oder Chicago frei erfundene Geschichten über angeblich reale, abenteuerliche Entdeckungen in den Cowboy-Staaten zu verkaufen.

Im 19. Jahrhundert blühte die zu jener Zeit neue Wissenschaft der Paläontologie auf, und westliche Staaten wie Nebraska oder Wyoming wurden wegen ihrer reichhaltigen Funde an vollständigen Dinosaurier-Skeletten weithin berühmt. Das regte natürlich die Fantasie so mancher Groschenroman-Autoren und Zeitungsleser an der Ostküste an: Was, wenn es irgendwo in den schier unendlichen Weiten der amerikanischen Territorien nicht noch irgendwo ein Tal gäbe, in dem heute noch Dinosaurier lebten! Diese Fantasie hat sich bis in moderne Zeiten erhalten, wie Filme oder Serien wie "Gwangi's Rache" (1969), "Im Land der Saurier" (1991) oder Cowboys vs. Dinosaurs (2015) bezeugen. Aber was, wenn solche Geschichten Wirklichkeit wären?

Solchen oder ähnlichen Quellen muss der folgende Zeitungsartikel entsprungen sein, der am 23. November 1885 in "The Buffalo Times" (Buffalo, New York) abgedruckt wurde und der angeblich aus dem "Newton Herald" in Iowa übernommen wurde. Demnach wurde in der Nähe von Oskaloosa, Mahaska County (Iowa) ein gigantisches, "von Schwanzspitze bis zur Nase 81 Fuß (knapp 25 Meter) langes" reptilartiges Wesen, ein Exemplar einer "Spezies an gigantischen Echsen, die bereits seit vielen Tausend Jahren ausgestorben ist" erlegt, dass die Gegend terrorisiert hatte. Nach langer Jagd konnte die Kreatur schließlich nur mit einer "12-Pfund Kanone, geladen mit Schienennägeln" zur Strecke gebracht werden.

Dinosaur Killed by Cannon - Yarn
Dinosaur Killed by Cannon - Yarn 23 Jan 1885, Fri The Buffalo Times (Buffalo, New York) Newspapers.com

"Ein monströses Tier wurde kürzlich in diesem Staat in der Nähe von Oskaloosa erlegt. Es maß von der Schwanzspitze bis zur Nase 81 Fuß. Sein Herz wog 80 Pfund und hatte vier Kammern. Nachdem es lange Zeit gejagt wurde, wurde es schließlich mit einer 12-Pfund-Kanone, die mit Eisenbahnnägeln geladen war, getötet. 12 starke Ochsen waren nötig, um das Monster nach seinem Tod ans Flußufer zu ziehen.

Es wurde gehäutet und ein Tierpräperator stopft es derzeit aus, danach wird es an die Academy of Natural Sciences in Philadelphia geschickt werden. Sein Fleisch wird vorsichtig von den Knochen gelöst, und das Skelett wird ordentlich mit Drähten zusammengehalten und fürs Erste in Oskaloosa verbleiben. Dr. Peck aus Davenport bezeichnet es als den "Riesen von Cardiff" und sagt es gehöre einer Spezies an gigantischen Echsen an, die bereits seit vielen Tausend Jahren ausgestorben sen soll.

Das Monster hatte Mastschweine, die zwischen 300 und 400 Pfund wogen, mit einem Happen verschlungen. Tausende von Menschen hatten das Monster gejagt, aber es hatte allem widerstanden bis die Kanone es zur Strecke brachte."

Dienstag, 2. Juli 2024

"Der weibliche Mut war der brutalen Gewalt und der Verzweiflung des Verbrechers, der vor der Justiz fliehen wollte, mehr als gewachsen" - Weibliche Gesetzeshüter

 Der Wilde Westen gilt allgemein als eine Zeit und Welt, in der "Männer noch echte Männer" waren; und die Geschichten und Berichte von legendären Revolverhelden und tapferen Gesetzeshütern sind entsprechend männlich dominiert. Gleichzeitig war aber die Frontier, bei aller Härte und Entbehrung die das Leben dort mit sich brachte, ein Raum der fernab der zivilisierteren Ostküste auch Frauen Gelegenheiten gab, in Rollen und Funktionen zu schlüpfen, die eigentlich Männern vorbehalten waren. 

Eine der heutzutage bekanntesten Damen, die eine Gesetzeshüter-Funktion erfüllten - und noch dazu auf höchster Ebene - war Phoebe Couzins, die am 26. September 1887 formell als einer von zwei US Marshals für den Staat Missouri eingeschworen wurde:

US Marshal Phoebe Couzins - date of appointment
US Marshal Phoebe Couzins - date of appointment 13 Oct 1887, Thu The Morning Call (Paterson, New Jersey) Newspapers.com

Phoebe Couzins erhielt diesen Posten, als ihr Vater, der zuvor US Marshal in diesem Gebiet war und für den Sie in den vergangenen zwei Jahren bereits als Deputy US Marshal gedient hatte, im Amt verstarb. Von den lokalen Behörden wurde Sie als die geeignetste Person angesehen, übergangsweise diesen Posten zu übernehmen, bis der US Präsident einen neuen Kandidaten berufen würde. Tatsächlich waren offenbar in dieser Zeit in Missouri viele der Ansicht, dass Phoebe Couzins sich durchaus dafür eignen würde, dieses Amt auch dauerhaft auszuüben:

Phoebe appointed Marshall
Phoebe appointed Marshall 07 Oct 1887, Fri St. Louis Post-Dispatch (St. Louis, Missouri) Newspapers.com

Da mit Grover Cleveland in dieser Zeit allerdings ein sehr konservativ geprägter Politiker im Amt war standen die Chancen hierfür eher gering, und nach nur zwei Monaten wurde bereits ein Mann als offizieller Nachfolger für diesen Posten berufen. 

Doch gerade Missouri sollte sich in dieser Zeit sehr offen für Frauen in Gesetzeshüterrollen zeigen. So wurde beispielsweise 1895 in Greene County, Missouri, nach dem Tod des hiesigen Sheriffs mir Mrs. Helen C. Stewart ebenfalls eine Frau als kommissarischer Nachfolger berufen, mit der Aussicht, dass auch sie das Amt potentiell auch als offiziell gewählter Vertreter weiter ausüben könnte: 

Quelle: Chronicling America - Library of Congress

Ein US Marshal wurde vom Präsidenten berufen und ein County Sheriff zumeist gewählt - was es Frauen in Zeiten, in denen sie noch nicht einmal ein Wahlrecht besaßen, deutlich erschwerte, überhaupt für ein solches Amt zu kandidieren, geschweige denn berufen zu werden. Doch Marshals oder Sheriffs konnten meist ihre Deputies selbst wählen - und so gibt es noch vor Mrs. Couzins und Mrs. Stewart durchaus mehrere Berichte von Frauen, die als Deputy US Marshal oder Hilfssheriff für Recht und Ordnung sorgten. Den frühesten Zeitungsartikel zu diesem Thema, den ich finden konnte, stammt aus dem Weekly Trinity Journal (Riverside, Kalifornien) vom 2. Juli 1870. Dieser schildert, dass im Iowa Territory, speziell im Des Moines County, die Ehefrau des amtierenden Sheriffs J.H. Latty, Esquire, ihm als Deputy zur Seite steht, das Gefängnis hütet und auch schon mal Gefangene in andere Jurisdiktionen überstellt - 25 Jahre vor Sheriff Helen Stewart oder 17. Jahre vor US Marshal Phoebe Couzins. 

Quelle: Chronicling America - Library of Congress

Diese Beispiele zeigen: In Zeiten, in denen Frauen weit weniger Rechte besaßen als Männer, boten sich ihnen im Wilden Westen oft mehr und früher Gelegenheiten, typische "Männerrollen" zu ergreifen, als in den "zivilisierteren" Staaten oder Ländern, obwohl - oder vielleicht auch gerade weil - das Leben im Wilden Westen oft gefährlicher, härter und entbehrungsreicher war.

20. November 1903: Tom Horn wird gehängt

 Tom Horn hatte ein überaus bewegtes Leben hinter sich: Mit 14 verließ er das Elternhaus in Missouri, um sich zunächst als Kutscher in Kansa...