Mittwoch, 2. Oktober 2024

17. August 1871: "Ein besonders teuflischer Mord" - Der Mann, der sterben musste, weil er zu laut schnarchte

 Von der Texas State Police Steckbrieflich gesucht und mit einem Kopfgeld von 400$ auf seine Ergreifung ausgestellt war John Wesley Hardin, unter dem Decknamen "Wesley Clemens", mit einem Viehtreck nach Abilene in Kansas gezogen. Im Juli 1871 kam Hardin, der auf seiner Reise von anderen texanischen Cowboys den Namen "Arkansas" oder "Little Arkansas" erhalten hatte, in Abilene an. Doch Anfang August musste Hardin alias "Arkansas" Kansas bereits wieder fluchtartig verlassen. In der Nacht vom 6. auf den 7. August hatte er im Hotel "The American House" einen Mann namens Charles Couger im benachbarten Zimmer getötet. Wie man später sagen sollte, hatte der jähzornige, angetrunkene Hardin Couger erschossen, weil dieser zu laut geschnarcht hatte,

War dem wirklich so? Zumindest erwähnen lokale Zeitungen den Umstand, dass Couger geschnarcht hätte, in den Meldungen unmittelbar nach der Tat nicht. Allerdings nahmen selbst die lokalen Zeitungen in ihrer Berichterstattung die Details oft nicht ganz genau, wie beispielsweise dieser kurze Artikel aus dem Leavenworth Daily Commercial (Fort Leavenworth, Kansas) vom 10.8.1871, gerade einmal drei Tage nach der Tat, demonstriert:

Wild Bill Abilene Marshal
Wild Bill Abilene Marshal 10 Aug 1871, Thu Leavenworth Daily Commercial (Leavenworth, Kansas) Newspapers.com

Einmal abgesehen davon, dass die Zeitung es nicht einmal hinbekommt den Ort "Abilene" richtig zu schreiben, wurde hier offenbar kräftig Flüsterpost gespielt ehe dieser Bericht in der Zeitung abgedruckt wurde: Der Getötete hieß in Wahrheit Charles Couger, nicht Charles Coredey; Hardin wird korrekt als Texaner mit dem Rufnamen "Arkansaw" identifiziert, aber fälschlicherweise als "Smith Clemens" bezeichnet - er war unter dem Namen "Wesley" oder "Wes" Clemens unterwegs. Interessant ist, dass hier "Arkansaw" bereits fünf Morde in nur drei Monaten nachgesagt werden, was wahrscheinlich seine Zeit auf dem Viehtreck von Texas nach Abilene mit einschließt (manche Biographen vermuten, dass die Zahl in dieser Zeit sogar eher bei 8 oder noch mehr liegen dürfte).

Einen etwas ausführlicheren Bericht liefert dagegen der Abilene Weekly Chronicle am 17. August 1871:

John Wesley Hardin kills Charles Couger in Abilene, Texas, 1871
John Wesley Hardin kills Charles Couger in Abilene, Texas, 1871 17 Aug 1871, Thu The Abilene Weekly Chronicle (Abilene, Kansas) Newspapers.com

Auch wenn der Artikel viel mehr Details liefert und Hardin sowie das Opfer mit den richtigen Namen identifiziert, schleicht sich hier mindestens noch ein Fehler mit ein ("Wesley Clemens" wird fälschlicherweise als aus Mississippi kommend identifiziert). Obwohl auch hier nicht erwähnt wird ob Cougar geschnarcht haben mag oder nicht, ist die beschriebene Art seines Todes interessant: Couger wurde erschossen, während er auf seinem Bett saß und Zeitung las; vier Kugeln wurden durch die Wand in sein Zimmer gefeuert, von denen eine sein Herz traf und ihn wohl auf der Stelle tötete. Das Motiv, so die Zeitung, sei unbekannt. (Und obwohl die Zeitungen ihm geringe Fluchtchancen einräumen, sollte Hardin im Übrigen erfolgreich zurück nach Texas fliehen und seine "Laufbahn" als Revolverheld noch mindestens drei Jahre fortsetzen...)

Über den Tod von Charles Couger gibt es viele unterschiedliche Geschichten. In manchen davon kannten sich Hardin und Couger und waren in der Nacht gemeinsam ins Hotel gegangen; in anderen waren sie sogar zeitweise gemeinsam auf dem Chisholm-Trail geritten; in wieder anderen waren die beiden einander unbekannt. Doch das Gerücht, das Couger sterben musste, weil er zu laut schnarchte, sollte sich hartnäckig halten und wird von Hardin sogar in seiner eigenen Biografie aufgegriffen. Eine Zeitung in El Paso sollte den Revolverhelden mit den Worten zitieren "Die Leute sagenm ich hätte sieben oder acht Männer getötet, weil sie zu laut schnarchten. Das ist nicht wahr. Ich hab nur den einen getötet."

Tatsächlich scheint aber, sieht man sich den oberen Artikel genau an, an den Gerüchten etwas dran zu sein. Couger war offenbar beim Zeitung lesen, auf dem Bett sitzend, eingeschlafen. Hardin feuerte mehrmals durch die Wand, weil er vermutlich einen auf dem Bett liegenden Mann wecken wollte. Womit er nicht gerechnet hatte war, dass der Mann nicht flach auf dem Bett lag, sondern aufrecht saß...

(Dieser Artikel ist für mich auch aus einem weiteren Grund interessant, als dass er keine Zweifel am Schicksal des Täters lässt. "Der Mörder entkam und ist seinen Verfolgern bisher entgangen. Sollte er gefasst werden, wird er wahrscheinlich auf der Stelle getötet werden." heißt es hier; "Viele Leute sind zu dem Schluss gekommen, dass es nicht viel nützt, Mörder vor die Geschworenen von Davis County zu bringen, und wir befürchten, dass Mörder in dieser Gegend künftig im Schnellverfahren abgeurteilt werden." Der Gedanke an Lynchjustiz ist im wilden Abilene nicht fern...

(Im Anschluss noch eine volle Übersetzung des zweiten hier geposteten Artikels):

"MORD. In der Nacht des 6. Dezembers wurde im „American House“ in diesem Ort ein teuflischer Mord verübt. Der Name des Ermordeten war Charles Couger und der des Mörders Wesley Clemens, alias „Arkansaw“. Couger war ein Rinder-Boss und galt als Gentleman; Clemens stammt aus Mississippi. Couger saß in seinem Zimmer auf dem Bett und las eine Zeitung. Durch eine Bretterwand wurden vier Schüsse auf ihn abgefeuert, von denen einer ihn in den fleischigen Teil des linken Arms traf, die dritte Rippe durchschlug und in das Herz eindrang, wobei ein Stück des Herzens vollständig abgetrennt wurde und Couger fast sofort tot war. Der Mörder entkam und ist seinen Verfolgern bisher entgangen. Sollte er gefasst werden, wird er wahrscheinlich auf der Stelle getötet werden.

Der Gerichtsmediziner J.M. Shephard untersuchte die Leiche des Verstorbenen, und die Geschworenen kamen zu dem Schluss, dass Charles Couger durch eine Kugel aus einer Pistole von Wesley Clemens zu Tode kam.

Die Ursache für den Mord ist noch nicht bekannt. Viele Leute sind zu dem Schluss gekommen, dass es nicht viel nützt, Mörder vor die Geschworenen von Davis County zu bringen, und wir befürchten, dass Mörder in dieser Gegend künftig im Schnellverfahren abgeurteilt werden."

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