Donnerstag, 16. Mai 2024

"Über Spinnen in Colorado sollte man nicht lachen"

Achtung: Dieses Fundstück ist nichts für Arachnophobiker! 

Eines heutzutage weniger bekanntes, aber in Zeitungen des 19. Jahrhundert sehr verbreitetes Trope des Wilden Westens waren Erzählungen über die gigantischen oder seltsamen Kreaturen, die an der weit entfernten Frontier hausten. Einige dieser Schilderungen scheinen direkt aus einem Horrorfilm entsprungen zu sein. Als altem, erklärtem Fan des Rollenspiels Deadlands freue ich mich immer wieder über solche kurzen Notizen oder Berichte, die mehr als genug Futter für ein weiteres Western-Horror-Abenteuer im "Weird West" dienen könnten.

So etwa auch dieser kurze Beitrag aus dem "Potter Enterprise" aus Cloudersport, Pennsylvania, vom 1. Juli 1880, der etwas über die "Vogelgroßen, merkwürdige Geräusche" machenden Spinnen von Colorado erzählt, deren Spinnweben so fest seien, dass man damit sogar nähen könne...


"Über Spinnen in Colorado sollte man nicht lachen. In einer Höhle in der Nähe von Buena Vista sind sie so groß wie kleine Vögel und geben beim Weben ihres Netzes ein seltsames Geräusch von sich. Bei der Besichtigung der Höhle untersuchte ein Bergmann die Netze. Ihre Fäden hatten etwa die Größe eines 12er Fadens, und er dachte, dass man sie für einen Faden verwenden könnte. Da er eine Nadel hatte, brach er einen der Fäden ab und stellte fest, dass er genau passte. Als er einen losen Knopf annähte, stellte er fest, dass er so stark wie Seide war und jeden Zweck erfüllte."

Mittwoch, 15. Mai 2024

Belle Starr: "Ich habe eine beträchtliche Ignoranz zu ertragen"

Belle Starr, geboren Myra Maybelle Shirley, stammte aus einer wohlhabenden Familie aus Missouri, wurde an einer Schule für feine Damen in Fremdsprachen und Etikette unterrichtet, ehe die Shirleys durch den Bürgerkrieg ihr Vermögen verloren und in Texas einen Neuanfang wagen sollten. Über ihren im Bürgerkrieg gefallenen Bruder, der mit den berüchtigten Quantrill's Raiders unter konföderierter Fahne ritt, lernte sie Jesse James und Cole Younger kennen - und sollte fortan viel Zeit im Umfeld weiterer berühmt-berüchtigter Outlaws verbringen. (Wir haben ihr Leben in der Podcast-Folge zu Belle Starr näher behandelt).

Schon während Ihrer Ehe mit Jim Reed, einem Weggefährten der Cole-Younger-Gang, wurden Ihr Verbrechen (oder wenigstens die Mitwissenschaft darüber) vorgeworfen. Nach dem Tod ihres ersten Ehemannes zog Sie ins Indianerterritorium, genau genommen in die Cherokee Nation, und heiratete mit Sam Starr einen weiteren steckbrieflich gesuchten Outlaw. Es mag wenig überraschen, dass Ihre freundschaftliche Nähe zu einigen der berüchtigtsten Outlaws dieser Zeit und Ihre Entscheidung, einen Cherokee zu heiraten, unter der weißen Bevölkerung des Oklahoma Territories mit Argwohn wahrgenommen wurde - was nur noch mehr zu ihrem Ruf beitragen sollte, eine "Banditenkönigin ("Queen of the Outlaws" zu sein).

Aber wie stand belle Starr selbst zu diesem Ruf? Etwa zwei Wochen nach ihrer bis heute ungeklärten Ermordung druckte der Talequah Arrow, eine in den Cherokee Nations erschienene Zeitung, einen Abriss über Ihr Leben ab, den sie mutmaßlich selbst verfasst hatte. Der Text zeichnet ein Bild von einer sehr gebildeten Frau, die von der sogenannten Zivilisation der anderen Amerikaner enttäuscht und verbittert war, eine Frau, die ihre eigenen Entscheidungen traf und sich wenig um die Meinung anderer "zivilisierter" Männer und Frauen scherte. In ihm bezeichnet Sie Jesse James als guten Freund, distanziert sich von der "Gesellschaft anderer Frauen (die ich durch und durch verabscheue)" und beklagt die Ignoranz einer "niederen Schicht schäbiger Weißer, die das Indianerterritorium zu ihrem Zufluchtsort gemacht haben, um keine Steuern für ihre Hunde zu zahlen." Es ist das Testament einer Frau, die mit der Gesellschaft ihrer Zeit abrechnet und beschlossen hat, ihren eigenen Weg zu gehen und bewusst kein Teil dieser Gesellschaft zu sein - was sie auf Ewigkeit als eine "Outlaw Queen" zeichnen sollte.

Belle Starr about herself - part 1Belle Starr about herself - part 1 21 Feb 1889, Thu The Tahlequah Arrow (Tahlequah, Oklahoma) Newspapers.com

Belle Starr about herself - part 2Belle Starr about herself - part 2 21 Feb 1889, Thu The Tahlequah Arrow (Tahlequah, Oklahoma) Newspapers.com

aa

Dienstag, 7. Mai 2024

"Ein Schreckliches Gefecht Zwischen Pinkerton's Detektiven und den James-Brüdern"

 In unserer Podcast-Episode zu den Pinkerton's erwähnten wir den regelrechten Krieg, den Alan Pinkerton in der Jagd auf die Outlaws Jesse und Frank James vom Zaun brach. Wie in der Western Unchained Folge angesprochen hatte Pinkerton's National Detective Agency in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens wegen ihrer Fahdnungserfolge - etwa beim Aufdecken eines Attentats auf Abraham Lincoln oder der Jagd auf die Reno-Gang - bereits einen fast sagenhaften Ruf erarbeitet. 

Doch mit der Jagd auf die James-Brüder erlitt der Ruf einen beträchtlichen Schaden. Zum einen lag dies sicherlich daran, dass die Pinkerton's bei den Versuchen, Mitglieder der berüchtigten Cole-Younger-Gang zu fassen, mehrere Agenten verlor und wenige Erfolge vorzuweisen hatte. Das frustrierte Alan Pinkerton persönlich, und sollte am 27. Januar 1875 schließlich in einem regelrechten Anschlag auf die Behausung von Zerelda James, der Mutter von Jesse und Frank James, gipfeln, als Agenten - oder von den Agenten angestachelte Handlanger - in der Fehlannahme, die James-Brüder befänden sich in der Behausung - mit tragischem Ausgang. Die gescheiterte Verhaftung, bei der Mrs. James einen Arm und der gerade 8-jährige Halbbruder von Jesse und Frank James sein Leben verlor, sorgte Bundesweit für Schlagzeilen, wie etwa dieser Artikel aus der Chicago Daily Tribune vom 28. Januar 1875 belegt.

Quelle: Chronicling America, Library of Congress


Der Vorfall sollte einen Wendepunkt darstellen, nicht nur in der Art, wie die Öffentlichkeit die Pinkertons wahrnahm, sondern auch im öffentlichen Ansehen von Jesse und Frank James. Sicher, die James-Brüder hatten bereits zuvor gerade unter ehemaligen Konföderierten den Ruf, Rächer der entrechteten Konföderation zu sein. Die Pinkerton's galten dagegen als geheimnisvolle, aber letztlich doch eifrige Verfechter des Gesetzes. Doch mit dem schlecht beratenem Anschlag schlug das Pendel der Öffentlichen Wahrnehmung um: Die James-Brüder erhielten nun umso mehr den Ruf einer Art Robin Hood des Wilden Westens zu sein, die sich gegen Tyrannei und unangemessen schwerer Verfolger zur Wehr setzen mussten. Die Pinkerton's hingegen erhielten wegen ihrer undurchsichtigen Art der Ermittlung und ihrem skrupellosen Vorgehen den Ruf, wenig besser als gedungene Mörder zu sein, die sich nun der gerechten Rache der James-Brüder ausgesetzt sehen müssen, wie etwa der Nashville Union and American (Nashville, Tennessee) am 9. Februar 1875 ausführte,


Quelle: Chronicling America, Library of Congress





Freitag, 3. Mai 2024

"Des Pudel's Friseur"

 Western ist ja oft das Zusammentreffen von Wildnis und Zivilisation. Entsprechend ist es oft eine Mischung aus Verwunderung und Faszination, mit der Zeitungen in den "Wildwest"-Regionen jener Zeit über die Trends in "den großen Städten" berichten. Anaconda war mit um die 9000 Einwohner um die Jahrhundertwende eine der größten Städte Montana (und zeitweise gar als Hauptstadt des Staates im Gespräch). Dennoch konnte der Redakteur des Anaconda Standard nicht umhin, über die "lukrative Profession" zu berichten, die "einige Frauen in den großen Städten" vor 125 Jahren für sich entdeckt haben, eine "gut bezahlte, einfache, simple Arbeit", die nicht Recht in das typische Bild des Wilden Westens passen dürfte: Die eines "Pudel-Friseurs"!

"The Poodle's Barber" (1899) 12 Feb 1899, Sun The Anaconda Standard (Anaconda, Montana) Newspapers.com

Montag, 29. April 2024

"Ein seltsamer religiöser Fanatismus, der auf Menschenopfern beruht"

Ein klassische Bild des Wilden Westens, dass auch in der Frühzeit des Western-Films bereits auftaucht - der Stummfilm-Western "Hell's Hinges" aus dem Jahre 1916 von und mit Western-Legende William S. Hart fällt mir spontan als Beispiel ein - ist das Bild des Priesters, der an der Frontier düstere Predigten über das Alte Testament und einen zürnenden Gott hält und der vor drohenden, fast schon apokalyptischen Zuständen warnt - und die Jahre während und nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg, der die Nation lange Zeit gespalten hat, haben mit Sicherheit einige solcher Beispiele hervorgebracht. Das Klischeebild hat sich bis in die heutige Zeit erhalten, auch jenseits des Films: Das Rollenspiel-System Deadlands, ein Wildwest-Setting gespickt mit übernatürlichen und Horror-Elementen (und vielleicht wenig überraschend eines unserer beliebtesten RPG-Settings) hält ebenfalls das Beispiel eines Feuer-und-Schwefel predigenden Priesters hervor. Wie in Rollenspielsystemen üblich wird dieses Trope gerne auch mit dem Fantasy-Archetypen des "falschen Priesters" kombiniert, der statt mit göttlichen mit dämonischen Mächten im Bunde steht, und der statt Hoffnung Angst, Schrecken, Angst und finstere Motive in die Herzen seiner Gemeinde sät. Aber letzteres ist meist nur reine Erfindung, ein Bösewicht für Roman- und Filmhelden, den es zu bezwingen gilt... nicht?

Umso erstaunter war ich über diesen Beitrag der texanischen Zeitung "The Galveston Daily Newspaper" vom 21.4.1881, der geradewegs aus einem Deadlands-Abenteuer oder einem Western-Horror-Film zu entsprungen scheint. Demnach wurde bei Little Rock in Arkansas, an einem Baum in einem entlegenen Wäldchen aufgeknüpft, die Leiche eines Predigers gefunden, der von wohl sechs Männern gelyncht worden war. Dieser Reverend Matlock war aber offenbar eine sehr berüchtigte Gestalt: Ein Prediger, der "eine seltsame Mischung aus Fanatismus, Bigotrie und Aberglauben" verbreitete und seine Gefolgschaft zum Vergießen menschlichen Blutes aufforderte, um den "Zorn einer beleidigten Gottheit" zu besänftigen, und in deren Namen wohl auch mehrere schauderhafte Morde begangen wurden!  

Quelle: Texas Digital Newspaper Program in The Portal to Texas History. University of North Texas Libraries. accessed April 29, 2024


Todgesagte leben länger: "Davy Crockett ist tot/am Leben/ein Geist"

 Davy Crockett gilt heutzutage als einer der großen amerikanischen Helden in der fast schon legendären "Schlacht von Alamo". Doch wie wir bereits in unserer Folge zu den "Helden von Alamo" ausgeführt haben, war das in den Monaten unmittelbar vor der Schlacht in weiten Teilen der amerikanischen Bevölkerung alles andere als der Fall. 

Da er gerne im Wahlkampf bei Bühnenshows über abenteuerliches Frontier-Leben erzählte, machten sich Zeitungen gerne über seine Ambitionen lustig und bezeichneten ihn gerne als einen "Buffoon", also einen Blödmann, Clown oder billigen Possenreißer. Politische Gegner konnten es offenbar kaum erwarten, dass Crockett endlich sein Versprechen wahrmachte, im Falle einer Wahlniederlage nach Texas zu gehen, und dass die einzige Konsequenz daraus sei, dass Shows und Menagerien für einige Zeit weniger stark besucht werden würden. 

Doch einige gingen sogar noch einen Schritt weiter: Einige Zeitungen, wie hier der North Carolina Standard, verbreiteten bereits kurz nach Davy Crockett's Aufbruch nach Texas Meldungen, dass er dort seinen Tod gefunden hätte. Der Tonfall ist dabei alles andere als heroisch-schmeichelhaft: "Colonel Davy Crockett, der 'Congressional whig Buffoon', ist kurz nach seinem Eintreffen in Texas gestorben" heißt es hier am 3. März 1836 - ironischerweise nur wenige Tage, ehe Crockett in der Schlacht von Alamo tatsächlich sein Leben ließ!


Quelle: Chronicling America - Library of Congress

Nach der dramatischen Schlacht jedoch, in der eine Minderheit von Amerikanern einer je nach Quelle zehn- bis zwölffachen Übermacht mexikanischer Soldaten trotzte und am Ende bis auf den letzten Mann hingerichtet wurden, wandelte sich das Bild jedoch komplett: In Erinnerung an seine Frontier-Abenteuer wurde der Mann zu einem echten Helden erklärt, zu einer amerikanischen Legende. Und wie es legendäre Menschen es häufig an sich haben, sterben sie selten einen wirklichen Tod, sondern haben möglicherweise auf wundersame Art doch überlebt: 

The Staunton Spectator, Staunton (Virginia), 5. Mai 1836. Quelle: Rarenewspapers.com

Über das wie lässt sich zwar streiten, doch dass Davy Crockett in Fort Alamo seinen Tod fand ist heute unbestritten. Aber ein legendärer Status geht weit über den Tod hinaus, und Jahrzehnte später finden sich in Zeitungen schließlich Berichte, dass Davy Crockett nun als Geist in den Gemäuern dieses historischen Ortes haust -  Gerüchte, die sich bis heute übrigens halten.

SanAntonio5-27-93
SanAntonio5-27-93 27 May 1893, Sat The Cincinnati Enquirer (Cincinnati, Ohio) Newspapers.com

Montag, 22. April 2024

"Der 'Mother Hubbard' muss verschwinden!"

An dieser Stelle greifen wir einen Modetrend auf, den wir am Rande unserer Podcast-Folge zum Johnson County War einmal in einem kleinen Exurs angesprochen hatten.

 Immer wieder kommen Modetrends auf, die für einen moralischen Aufschrei in Teilen der Gesellschaft sorgen: Zu unzüchtig! Zu aufreizend! Skandalös! Im modernen Zeiten sind es meistens zu figurbetonte oder viel Haut zeigende Kleidungsstücke die solche Reaktionen hervorrufen. Da mag es aus moderner Sicht befremdlich wirken, welche Art Kleid in den 1880er Jahren, vor allem in Regionen des Wilden Westens, für Furore sorgte: Das so genannte "Mother Hubbard" Kleid!

Pictures of Mother Hubbard gownsPictures of Mother Hubbard gowns 03 Feb 1889, Sun The Wichita Eagle (Wichita, Kansas) Newspapers.com

Blue cotton calico dress of Elizabeth Hinterleiter Keesacker, a Virginia native who moved to St. Louis in the early 1800s. Image Courtesy of the Missouri Historical Society, St. Louis.

Während die übliche Frauenkleidung jener Zeit auf eng taillierte (mit Korsett getragene) Kleider Wert legte, die mit Unterröcken und Tornüre zur besonderen Absetzung des Pobereichs getragen wurden, lief der Mother Hubbard diesem Trend zuwider: Es war ein bewusst nicht figurbetontes, langes, weites und locker sitzendes Kleid mit langen Ärmeln und hohem Halsausschnitt, und sollte tatsächlich so viel Haut wie möglich bedecken. 


Kleidungsstücke dieser Art gab es auch vor den 1880er Jahren bereits und wurden meist von Frauen während der Hausarbeit eingesetzt. Aber in der genannten Dekade erlangte das Kleid (das seinen Namen von einem Buch mit Kinderreimen namens "Old Mother Hubbard" bekam, in dem Mädchen mit Kleidern in diesem Stil illustriert waren) auch unter jungen Frauen Popularität, die die Bewegungsfreiheit und Luftigkeit dieses Kleidungsstils, gerade in heißeren Gegenden, sehr zu schätzen wussten. 

Das erregte allerdings den Unmut und moralische Entrüstung - vor allem von Teilen der männlichen Bevölkerung. Manche - überwiegend männliche - Kommentatoren brachten ihre Entrüstung über das Unweibliche Erscheinungsbild von Frauen in diesem hässlichen, sackartigen Gewand - "All Skirt, no waist", wie es der Schreiber des folgenden Artikels ausführt - zum Ausdruck: 

Mother Hubbard dress criticizedMother Hubbard dress criticized 02 Nov 1883, Fri The Leavenworth Standard (Leavenworth, Kansas) Newspapers.com

In unserem Podcast zum Johnson County War erwähnten wir, dass in Johnson County (speziell am Gerichtsstand in Buffalo) um das Jahr 1889 mutmaßliche Viehdiebe mit milden Strafen davonkamen, während das Tragen eines Mother Hubbard Kleides in der Öffentlichkeit mit bis zu 20$ bestraft werden konnte. Auch andernorts, beispielsweise in Kentucky, gab es Bußgelder für das öffentliche Tragen eines solchen Kleidungsstücks:

5$ fine for wearing a Mother Hubbard5$ fine for wearing a Mother Hubbard 18 Apr 1884, Fri Chicago Tribune (Chicago, Illinois) Newspapers.com

Auch kam es durchaus zu Verhaftungen wegen des öffentlichen Tragens eines Mother Hubbards:

Arrests of women wearing Mother Hubbard dressesArrests of women wearing Mother Hubbard dresses 12 May 1887, Thu Omaha Daily Bee (Omaha, Nebraska) Newspapers.com

Auch an Spott und anderen herablassenden Kommentaren mangelte es nicht: 

Men must have really hated the Mother Hubbard dress - comfortable for women!Men must have really hated the Mother Hubbard dress! 14 May 1886, Fri The Abilene Journal (Abilene, Kansas) Newspapers.com

Aber was genau störte die männliche (oder Teile der weiblichen) Bevölkerung an diesem Kleid? Ein Kommentator des Coffeyville Journals (Coffeyville, Kansas) brachte es, stellvertretend für andere ähnliche Beiträge, in einem Artikel auf den Punkt: Es sah zu sehr nach einem reinen Unterrock oder Nachthemd aus; "Junge Mädchen", die dieses Kleid trügen, sähen darin so aus, "als hätten sie vergessen, sich anzuziehen, nachdem sie morgens aus dem Bett aufgestanden sind"!

EDitor's comment on Mother Hubbard dressEditor's comment on Mother Hubbard dress 28 Jul 1883, Sat The Coffeyville Weekly Journal (Coffeyville, Kansas) Newspapers.com

Weniger freundlich klang in solchem Zusammenhang der Vorwurf, Frauen würden in einem solchen Kleid wie Prostituierte aussehen (die solche Kleider wegen der Einfachheit des An- und Ausziehens bevorzugen würden; interessant, dass in den 1880ern das Bild vorzuherrschen schien, dass das Tragen eines WENIGER figurbetonten Kleides eher leichten Mädchen zugeschrieben wurde); das Tragen eines solchen Kleides wäre gewissermaßen Erregung öffentlichen Ärgernisses, und junge Damen würden "nur" deswegen verhaftet, um entsprechende unliebsame Avancen angehender Freier vorzubeugen.

Dodge City Times, Kansas, Juli 1883

All diese Kommentare lassen dabei den eigentlichen Grund außer Acht, warum Frauen ein solches - nicht figurbetontes, lockeres, den ganzen Körper bedeckendes - Kleid entgegen der Modetrends der damaligen Zeit überhaupt haben möchten: Es war, schlicht und ergreifend - bequem und angenehm zu Tragen - ganz ohne Notwendigkeit für Korsetts, Tornüren oder mehrere Lagen an Unterröcken!

The joy of the corset-free Mother Hubbard dressThe joy of the corset-free Mother Hubbard dress 12 Sep 1889, Thu The Wichita Weekly Journal (Wichita, Kansas) Newspapers.com
In den 1890er Jahren verschwanden die Debatten um das Mother Hubabrd Kleid wieder aus dem öffentlichen Diskurs. Interessanterweise haben sich Kleider im Mother-Hubbard-Stil dagegen auf einigen Pazifikinseln bis heute gehalten! Eingeführt wurden die Ganzkörper-Röcke dabei interessanterweise ausgerechnet von christlichen Missionare - um die in westlichen Augen zu aufreizende Blöße der "halbnackten" Insulaner zu bedecken!

Tahitian girls in mother Hubbard dresses. various, Public domain, via Wikimedia Commons


"Über Spinnen in Colorado sollte man nicht lachen"

Achtung: Dieses Fundstück ist nichts für Arachnophobiker!  Eines heutzutage weniger bekanntes, aber in Zeitungen des 19. Jahrhundert sehr ve...