Donnerstag, 16. Mai 2024
"Über Spinnen in Colorado sollte man nicht lachen"
Mittwoch, 15. Mai 2024
Belle Starr: "Ich habe eine beträchtliche Ignoranz zu ertragen"
Belle Starr, geboren Myra Maybelle Shirley, stammte aus einer wohlhabenden Familie aus Missouri, wurde an einer Schule für feine Damen in Fremdsprachen und Etikette unterrichtet, ehe die Shirleys durch den Bürgerkrieg ihr Vermögen verloren und in Texas einen Neuanfang wagen sollten. Über ihren im Bürgerkrieg gefallenen Bruder, der mit den berüchtigten Quantrill's Raiders unter konföderierter Fahne ritt, lernte sie Jesse James und Cole Younger kennen - und sollte fortan viel Zeit im Umfeld weiterer berühmt-berüchtigter Outlaws verbringen. (Wir haben ihr Leben in der Podcast-Folge zu Belle Starr näher behandelt).
Schon während Ihrer Ehe mit Jim Reed, einem Weggefährten der Cole-Younger-Gang, wurden Ihr Verbrechen (oder wenigstens die Mitwissenschaft darüber) vorgeworfen. Nach dem Tod ihres ersten Ehemannes zog Sie ins Indianerterritorium, genau genommen in die Cherokee Nation, und heiratete mit Sam Starr einen weiteren steckbrieflich gesuchten Outlaw. Es mag wenig überraschen, dass Ihre freundschaftliche Nähe zu einigen der berüchtigtsten Outlaws dieser Zeit und Ihre Entscheidung, einen Cherokee zu heiraten, unter der weißen Bevölkerung des Oklahoma Territories mit Argwohn wahrgenommen wurde - was nur noch mehr zu ihrem Ruf beitragen sollte, eine "Banditenkönigin ("Queen of the Outlaws" zu sein).
Aber wie stand belle Starr selbst zu diesem Ruf? Etwa zwei Wochen nach ihrer bis heute ungeklärten Ermordung druckte der Talequah Arrow, eine in den Cherokee Nations erschienene Zeitung, einen Abriss über Ihr Leben ab, den sie mutmaßlich selbst verfasst hatte. Der Text zeichnet ein Bild von einer sehr gebildeten Frau, die von der sogenannten Zivilisation der anderen Amerikaner enttäuscht und verbittert war, eine Frau, die ihre eigenen Entscheidungen traf und sich wenig um die Meinung anderer "zivilisierter" Männer und Frauen scherte. In ihm bezeichnet Sie Jesse James als guten Freund, distanziert sich von der "Gesellschaft anderer Frauen (die ich durch und durch verabscheue)" und beklagt die Ignoranz einer "niederen Schicht schäbiger Weißer, die das Indianerterritorium zu ihrem Zufluchtsort gemacht haben, um keine Steuern für ihre Hunde zu zahlen." Es ist das Testament einer Frau, die mit der Gesellschaft ihrer Zeit abrechnet und beschlossen hat, ihren eigenen Weg zu gehen und bewusst kein Teil dieser Gesellschaft zu sein - was sie auf Ewigkeit als eine "Outlaw Queen" zeichnen sollte.
aa
Dienstag, 7. Mai 2024
"Ein Schreckliches Gefecht Zwischen Pinkerton's Detektiven und den James-Brüdern"
In unserer Podcast-Episode zu den Pinkerton's erwähnten wir den regelrechten Krieg, den Alan Pinkerton in der Jagd auf die Outlaws Jesse und Frank James vom Zaun brach. Wie in der Western Unchained Folge angesprochen hatte Pinkerton's National Detective Agency in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens wegen ihrer Fahdnungserfolge - etwa beim Aufdecken eines Attentats auf Abraham Lincoln oder der Jagd auf die Reno-Gang - bereits einen fast sagenhaften Ruf erarbeitet.
Doch mit der Jagd auf die James-Brüder erlitt der Ruf einen beträchtlichen Schaden. Zum einen lag dies sicherlich daran, dass die Pinkerton's bei den Versuchen, Mitglieder der berüchtigten Cole-Younger-Gang zu fassen, mehrere Agenten verlor und wenige Erfolge vorzuweisen hatte. Das frustrierte Alan Pinkerton persönlich, und sollte am 27. Januar 1875 schließlich in einem regelrechten Anschlag auf die Behausung von Zerelda James, der Mutter von Jesse und Frank James, gipfeln, als Agenten - oder von den Agenten angestachelte Handlanger - in der Fehlannahme, die James-Brüder befänden sich in der Behausung - mit tragischem Ausgang. Die gescheiterte Verhaftung, bei der Mrs. James einen Arm und der gerade 8-jährige Halbbruder von Jesse und Frank James sein Leben verlor, sorgte Bundesweit für Schlagzeilen, wie etwa dieser Artikel aus der Chicago Daily Tribune vom 28. Januar 1875 belegt.
Quelle: Chronicling America, Library of Congress |
Der Vorfall sollte einen Wendepunkt darstellen, nicht nur in der Art, wie die Öffentlichkeit die Pinkertons wahrnahm, sondern auch im öffentlichen Ansehen von Jesse und Frank James. Sicher, die James-Brüder hatten bereits zuvor gerade unter ehemaligen Konföderierten den Ruf, Rächer der entrechteten Konföderation zu sein. Die Pinkerton's galten dagegen als geheimnisvolle, aber letztlich doch eifrige Verfechter des Gesetzes. Doch mit dem schlecht beratenem Anschlag schlug das Pendel der Öffentlichen Wahrnehmung um: Die James-Brüder erhielten nun umso mehr den Ruf einer Art Robin Hood des Wilden Westens zu sein, die sich gegen Tyrannei und unangemessen schwerer Verfolger zur Wehr setzen mussten. Die Pinkerton's hingegen erhielten wegen ihrer undurchsichtigen Art der Ermittlung und ihrem skrupellosen Vorgehen den Ruf, wenig besser als gedungene Mörder zu sein, die sich nun der gerechten Rache der James-Brüder ausgesetzt sehen müssen, wie etwa der Nashville Union and American (Nashville, Tennessee) am 9. Februar 1875 ausführte,
Quelle: Chronicling America, Library of Congress |
Freitag, 3. Mai 2024
"Des Pudel's Friseur"
Western ist ja oft das Zusammentreffen von Wildnis und Zivilisation. Entsprechend ist es oft eine Mischung aus Verwunderung und Faszination, mit der Zeitungen in den "Wildwest"-Regionen jener Zeit über die Trends in "den großen Städten" berichten. Anaconda war mit um die 9000 Einwohner um die Jahrhundertwende eine der größten Städte Montana (und zeitweise gar als Hauptstadt des Staates im Gespräch). Dennoch konnte der Redakteur des Anaconda Standard nicht umhin, über die "lukrative Profession" zu berichten, die "einige Frauen in den großen Städten" vor 125 Jahren für sich entdeckt haben, eine "gut bezahlte, einfache, simple Arbeit", die nicht Recht in das typische Bild des Wilden Westens passen dürfte: Die eines "Pudel-Friseurs"!
Montag, 29. April 2024
"Ein seltsamer religiöser Fanatismus, der auf Menschenopfern beruht"
Quelle: Texas Digital Newspaper Program in The Portal to Texas History. University of North Texas Libraries. accessed April 29, 2024 |
Todgesagte leben länger: "Davy Crockett ist tot/am Leben/ein Geist"
Davy Crockett gilt heutzutage als einer der großen amerikanischen Helden in der fast schon legendären "Schlacht von Alamo". Doch wie wir bereits in unserer Folge zu den "Helden von Alamo" ausgeführt haben, war das in den Monaten unmittelbar vor der Schlacht in weiten Teilen der amerikanischen Bevölkerung alles andere als der Fall.
Da er gerne im Wahlkampf bei Bühnenshows über abenteuerliches Frontier-Leben erzählte, machten sich Zeitungen gerne über seine Ambitionen lustig und bezeichneten ihn gerne als einen "Buffoon", also einen Blödmann, Clown oder billigen Possenreißer. Politische Gegner konnten es offenbar kaum erwarten, dass Crockett endlich sein Versprechen wahrmachte, im Falle einer Wahlniederlage nach Texas zu gehen, und dass die einzige Konsequenz daraus sei, dass Shows und Menagerien für einige Zeit weniger stark besucht werden würden.
Doch einige gingen sogar noch einen Schritt weiter: Einige Zeitungen, wie hier der North Carolina Standard, verbreiteten bereits kurz nach Davy Crockett's Aufbruch nach Texas Meldungen, dass er dort seinen Tod gefunden hätte. Der Tonfall ist dabei alles andere als heroisch-schmeichelhaft: "Colonel Davy Crockett, der 'Congressional whig Buffoon', ist kurz nach seinem Eintreffen in Texas gestorben" heißt es hier am 3. März 1836 - ironischerweise nur wenige Tage, ehe Crockett in der Schlacht von Alamo tatsächlich sein Leben ließ!Quelle: Chronicling America - Library of Congress |
The Staunton Spectator, Staunton (Virginia), 5. Mai 1836. Quelle: Rarenewspapers.com |
Über das wie lässt sich zwar streiten, doch dass Davy Crockett in Fort Alamo seinen Tod fand ist heute unbestritten. Aber ein legendärer Status geht weit über den Tod hinaus, und Jahrzehnte später finden sich in Zeitungen schließlich Berichte, dass Davy Crockett nun als Geist in den Gemäuern dieses historischen Ortes haust - Gerüchte, die sich bis heute übrigens halten.
SanAntonio5-27-93 27 May 1893, Sat The Cincinnati Enquirer (Cincinnati, Ohio) Newspapers.comMontag, 22. April 2024
"Der 'Mother Hubbard' muss verschwinden!"
An dieser Stelle greifen wir einen Modetrend auf, den wir am Rande unserer Podcast-Folge zum Johnson County War einmal in einem kleinen Exurs angesprochen hatten.
Immer wieder kommen Modetrends auf, die für einen moralischen Aufschrei in Teilen der Gesellschaft sorgen: Zu unzüchtig! Zu aufreizend! Skandalös! Im modernen Zeiten sind es meistens zu figurbetonte oder viel Haut zeigende Kleidungsstücke die solche Reaktionen hervorrufen. Da mag es aus moderner Sicht befremdlich wirken, welche Art Kleid in den 1880er Jahren, vor allem in Regionen des Wilden Westens, für Furore sorgte: Das so genannte "Mother Hubbard" Kleid!
Blue cotton calico dress of Elizabeth Hinterleiter Keesacker, a Virginia native who moved to St. Louis in the early 1800s. Image Courtesy of the Missouri Historical Society, St. Louis. |
Während die übliche Frauenkleidung jener Zeit auf eng taillierte (mit Korsett getragene) Kleider Wert legte, die mit Unterröcken und Tornüre zur besonderen Absetzung des Pobereichs getragen wurden, lief der Mother Hubbard diesem Trend zuwider: Es war ein bewusst nicht figurbetontes, langes, weites und locker sitzendes Kleid mit langen Ärmeln und hohem Halsausschnitt, und sollte tatsächlich so viel Haut wie möglich bedecken.
Kleidungsstücke dieser Art gab es auch vor den 1880er Jahren bereits und wurden meist von Frauen während der Hausarbeit eingesetzt. Aber in der genannten Dekade erlangte das Kleid (das seinen Namen von einem Buch mit Kinderreimen namens "Old Mother Hubbard" bekam, in dem Mädchen mit Kleidern in diesem Stil illustriert waren) auch unter jungen Frauen Popularität, die die Bewegungsfreiheit und Luftigkeit dieses Kleidungsstils, gerade in heißeren Gegenden, sehr zu schätzen wussten.
Das erregte allerdings den Unmut und moralische Entrüstung - vor allem von Teilen der männlichen Bevölkerung. Manche - überwiegend männliche - Kommentatoren brachten ihre Entrüstung über das Unweibliche Erscheinungsbild von Frauen in diesem hässlichen, sackartigen Gewand - "All Skirt, no waist", wie es der Schreiber des folgenden Artikels ausführt - zum Ausdruck:
In unserem Podcast zum Johnson County War erwähnten wir, dass in Johnson County (speziell am Gerichtsstand in Buffalo) um das Jahr 1889 mutmaßliche Viehdiebe mit milden Strafen davonkamen, während das Tragen eines Mother Hubbard Kleides in der Öffentlichkeit mit bis zu 20$ bestraft werden konnte. Auch andernorts, beispielsweise in Kentucky, gab es Bußgelder für das öffentliche Tragen eines solchen Kleidungsstücks:
Auch kam es durchaus zu Verhaftungen wegen des öffentlichen Tragens eines Mother Hubbards:
Auch an Spott und anderen herablassenden Kommentaren mangelte es nicht:
Aber was genau störte die männliche (oder Teile der weiblichen) Bevölkerung an diesem Kleid? Ein Kommentator des Coffeyville Journals (Coffeyville, Kansas) brachte es, stellvertretend für andere ähnliche Beiträge, in einem Artikel auf den Punkt: Es sah zu sehr nach einem reinen Unterrock oder Nachthemd aus; "Junge Mädchen", die dieses Kleid trügen, sähen darin so aus, "als hätten sie vergessen, sich anzuziehen, nachdem sie morgens aus dem Bett aufgestanden sind"!
Weniger freundlich klang in solchem Zusammenhang der Vorwurf, Frauen würden in einem solchen Kleid wie Prostituierte aussehen (die solche Kleider wegen der Einfachheit des An- und Ausziehens bevorzugen würden; interessant, dass in den 1880ern das Bild vorzuherrschen schien, dass das Tragen eines WENIGER figurbetonten Kleides eher leichten Mädchen zugeschrieben wurde); das Tragen eines solchen Kleides wäre gewissermaßen Erregung öffentlichen Ärgernisses, und junge Damen würden "nur" deswegen verhaftet, um entsprechende unliebsame Avancen angehender Freier vorzubeugen.
Dodge City Times, Kansas, Juli 1883 |
Tahitian girls in mother Hubbard dresses. various, Public domain, via Wikimedia Commons |
"Über Spinnen in Colorado sollte man nicht lachen"
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