Dienstag, 2. Juli 2024

"Der weibliche Mut war der brutalen Gewalt und der Verzweiflung des Verbrechers, der vor der Justiz fliehen wollte, mehr als gewachsen" - Weibliche Gesetzeshüter

 Der Wilde Westen gilt allgemein als eine Zeit und Welt, in der "Männer noch echte Männer" waren; und die Geschichten und Berichte von legendären Revolverhelden und tapferen Gesetzeshütern sind entsprechend männlich dominiert. Gleichzeitig war aber die Frontier, bei aller Härte und Entbehrung die das Leben dort mit sich brachte, ein Raum der fernab der zivilisierteren Ostküste auch Frauen Gelegenheiten gab, in Rollen und Funktionen zu schlüpfen, die eigentlich Männern vorbehalten waren. 

Eine der heutzutage bekanntesten Damen, die eine Gesetzeshüter-Funktion erfüllten - und noch dazu auf höchster Ebene - war Phoebe Couzins, die am 26. September 1887 formell als einer von zwei US Marshals für den Staat Missouri eingeschworen wurde:

US Marshal Phoebe Couzins - date of appointment
US Marshal Phoebe Couzins - date of appointment 13 Oct 1887, Thu The Morning Call (Paterson, New Jersey) Newspapers.com

Phoebe Couzins erhielt diesen Posten, als ihr Vater, der zuvor US Marshal in diesem Gebiet war und für den Sie in den vergangenen zwei Jahren bereits als Deputy US Marshal gedient hatte, im Amt verstarb. Von den lokalen Behörden wurde Sie als die geeignetste Person angesehen, übergangsweise diesen Posten zu übernehmen, bis der US Präsident einen neuen Kandidaten berufen würde. Tatsächlich waren offenbar in dieser Zeit in Missouri viele der Ansicht, dass Phoebe Couzins sich durchaus dafür eignen würde, dieses Amt auch dauerhaft auszuüben:

Phoebe appointed Marshall
Phoebe appointed Marshall 07 Oct 1887, Fri St. Louis Post-Dispatch (St. Louis, Missouri) Newspapers.com

Da mit Grover Cleveland in dieser Zeit allerdings ein sehr konservativ geprägter Politiker im Amt war standen die Chancen hierfür eher gering, und nach nur zwei Monaten wurde bereits ein Mann als offizieller Nachfolger für diesen Posten berufen. 

Doch gerade Missouri sollte sich in dieser Zeit sehr offen für Frauen in Gesetzeshüterrollen zeigen. So wurde beispielsweise 1895 in Greene County, Missouri, nach dem Tod des hiesigen Sheriffs mir Mrs. Helen C. Stewart ebenfalls eine Frau als kommissarischer Nachfolger berufen, mit der Aussicht, dass auch sie das Amt potentiell auch als offiziell gewählter Vertreter weiter ausüben könnte: 

Quelle: Chronicling America - Library of Congress

Ein US Marshal wurde vom Präsidenten berufen und ein County Sheriff zumeist gewählt - was es Frauen in Zeiten, in denen sie noch nicht einmal ein Wahlrecht besaßen, deutlich erschwerte, überhaupt für ein solches Amt zu kandidieren, geschweige denn berufen zu werden. Doch Marshals oder Sheriffs konnten meist ihre Deputies selbst wählen - und so gibt es noch vor Mrs. Couzins und Mrs. Stewart durchaus mehrere Berichte von Frauen, die als Deputy US Marshal oder Hilfssheriff für Recht und Ordnung sorgten. Den frühesten Zeitungsartikel zu diesem Thema, den ich finden konnte, stammt aus dem Weekly Trinity Journal (Riverside, Kalifornien) vom 2. Juli 1870. Dieser schildert, dass im Iowa Territory, speziell im Des Moines County, die Ehefrau des amtierenden Sheriffs J.H. Latty, Esquire, ihm als Deputy zur Seite steht, das Gefängnis hütet und auch schon mal Gefangene in andere Jurisdiktionen überstellt - 25 Jahre vor Sheriff Helen Stewart oder 17. Jahre vor US Marshal Phoebe Couzins. 

Quelle: Chronicling America - Library of Congress

Diese Beispiele zeigen: In Zeiten, in denen Frauen weit weniger Rechte besaßen als Männer, boten sich ihnen im Wilden Westen oft mehr und früher Gelegenheiten, typische "Männerrollen" zu ergreifen, als in den "zivilisierteren" Staaten oder Ländern, obwohl - oder vielleicht auch gerade weil - das Leben im Wilden Westen oft gefährlicher, härter und entbehrungsreicher war.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

20. November 1903: Tom Horn wird gehängt

 Tom Horn hatte ein überaus bewegtes Leben hinter sich: Mit 14 verließ er das Elternhaus in Missouri, um sich zunächst als Kutscher in Kansa...