Dienstag, 29. Oktober 2024

25.7.1893 - "Dwarf Americans" : Überreste einer "Rasse an Lilliputanern" geborgen

Die Staaten, die den "Wilden Westen" ausmachten, waren - und sind auch heute noch, mit beeindruckenden Landschaften und einer einzigartigen Flora und Fauna ausgestattet. Doch nicht nur das: Als Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Dinosaurier-Fossilien entdeckt bzw. als solche identifiziert wurden, waren es gerade die unberührten Landschaften der Dakotas, Nebraskas, Montanas oder Wyomings, die sich als reichhaltiger Fundort vollständiger Dinosauerier-Skelette erwiesen. Das beflügelte natürlich auch die Fantasien nicht nur der diversen Groschenroman-Autoren und Zeitungsreporter, sondern auch der Leser derselben an der eigentlich zivilisierten Ostküste. Wie wir bereits an anderer Stelle berichteten führte das unter anderem zu der Vermutung, dass es in den wilden, unberührten Weiten des Wilden Westens nicht vielleicht noch echte, lebende Dinosaurier geben könnte. Auch die reale Existenz lebender mythologischer Kreaturen aus indigenen Legenden wurde nicht ausgeschlossen. Warum also nicht auch die Vermutung, dass es auf dem amerikanischen Kontinent... echte Zwerge gegeben haben könnte?

The Rock Island Argus (Rock Island, Illinois), 25. Juli 1893 (Quelle: Illinois Digital Newspaper Collection)
Von einem solchen Fund berichtet der Rock Island Argus (Rock Island, Illinois) am 25. Juli 1893: Demach wurde am östlichen Rand der Smoky Mountains, in der Grenzregion zwischen North Carolina und Tennessee eine Gruft mit dem vollständigen Skelett einer "voll erwachsenen" Person gefunden, die dennoch nicht größer als 36 Inches (ca. 90 Zentimeter) war. Der Fund sei die Bestätigung von bisher als Aberglauben abgetanen Vermutungen, dass im östlichen Tennessee einst eine Rasse von Zwergen oder "Lilliputanern" gelebt haben soll. Hier geht es zum Artikel in voller Länge.

Demnach sprächen Native-Legenden von einem "Volk an kleinen, grimmigen Menschen" mit "roten Haaren", das sich einen "langen, blutigen Krieg" mit den Native-Stämmen geliefert hätte, aber letztlich "alle getötet" worden seien. Angeblich sollte es auch Höhlenmahlereien weit oben in den Great Smoky Mountains geben, die von diesem wilden Krieg berichteten.

Einer anderen, ebenfalls im Zeitungsartikel erwähnten Legende nach hsei dieses Volk von den Ureinwohnern auch die "Verehrer der Sonne" genannt worden. Diese sei ursprünglich "aus dem hohen Norden" gekommen, von wo sie von dortigen indigenen Völkern vertrieben worden waren. Am Ufer des Ohio River habe sich dieses Volk getrennt - während der eine Teil weiter gen Süden floh, zog der andere gen Osten und ließ sich in der Gegend des heute östlichen Tennessee nieder. "Es werde vermutet, dass dieses Volk die Vorfahren der mexikanischen Atzteken waren", mutmaßt der Artikel weiter; warum die Atzteken von einem Volk rothaariger Zwerge abstammen sollte, darüber schweigt sich der Beitrag allerdings aus.

Um diese "Relikte einer dahingeschiedenen Rasse" näher zu untersuchen habe das Smithsonian Institute einen "Professor Snow" und ein ganzes "Corps an Assistenten" in die Gegend entsandt. Ob dem auch wirklich so war, und falls ja zu welchem Urteil die Wissenschaftler gekommen sind, ist uns hier leider nicht näher bekannt. Die Tatsache, dass heute in der Geschichte der Great Smoky Mountains nichts von einem Volk an zwergischen Ureinwohnern bekannt ist, lässt auf einen Irrtum schließen - oder gar einen vollkommenen Hoax. Schließlich waren sensationelle "archäologische Funde", die sich letztlich als gezielter Betrug herausstellten, gerade in der Geschichte der USA nicht gerade selten - die "Zwerge von Tennessee" wären demnach nichts anderes als ein Gegenstück zum "Giganten von Cardiff".

Donnerstag, 24. Oktober 2024

13.2.1822: 100 "Unternehmunglustige junge Männer" gesucht - Die Rocky Mountain Fur Trading Company

Am 13.2.1822 veröffentlichte der "Missouri Gazette and Public Advertiser" (St. Louis, Missouri) erstmals die folgende kurze Anzeige:

13 Feb 1822, Wed Missouri Gazette and Public Advertiser (St. Louis, Missouri) Newspapers.com

Mit diesem Aufruf legten William H. Ashley - der bis zu diesem Zeitpunkt unter anderem Schießpulver verkauft hatte - und sein Geschäftspartner Andrew Harry - ein Patronenhersteller - den Grundstein für die "Rocky Mountain Fur Company". Sie hatten den Beschluss gefasst, selbst Jänger und Fallensteller in die erst vor wenigen Jahren durch die Louis & Clark Expedition erstmals erschlossenen Weiten des amerikanischen Nordwestens (die heutigen Staaten von Missouri und Montana) zu schicken, anstatt wie bislang üblich für Felle und Pelze Handel mit den lokalen Indianern zu betreiben. Zur Vorbereitung ihres Abenteuers gaben sie in den Zeitungen von St. Louis Anzeigen auf, in denen sie einhundert "unternehmungslustige junge Männer" suchten, "die den Missouri bis zu seiner Quelle hinauffahren und dort für ein, zwei oder drei Jahre angestellt werden".

Die Männer, die sich meldeten, wurden als "Ashley's Hundred" bekannt. Die Rocky Mountain Fur Company unternahm in den nächsten drei Jahren mehrere groß angelegte Pelzfangexpeditionen in den Westen. Anders als beispielsweise die Hudson's bay Company wurden für diese Unternehmung keine eigenen Forts errichtet - Ashleys Idee war es, dass sich Trapper, Indianer und Händler jährlich an einem bestimmten Ort treffen sollten, um Pelze, Waren und Geld auszutauschen. Das erste Rendezvous der "Mountain Men" fand 1825 am Henry's Fork des Green River in Wyoming statt.

Diese 100 Männer zählten zu den ersten "permanenten" weißen Bewohnern in den Gebieten der Rocky Mountains und Umgebung. Ashleys Innovationen im Pelzhandel brachten ihm Anerkennung und Geld ein und trugen dazu bei, den westlichen Teil des Kontinents für die amerikanische Expansion zu öffnen.

Übersetzung des Artikels folgt:

"An Unternehmungslustige junge Männer:

"Der Unterzeichner wünscht, EINHUNDERT MÄNNER zu engagieren, um den Missouri bis zu seiner Quelle zu befahren und dort für ein, zwei oder drei Jahre zu arbeiten. Für Einzelheiten erkundigen Sie sich bei Major Andrew Henry, in der Nähe der Bleiminen im County Washington (der mit der Gruppe reisen und sie anführen wird) oder beim Zeichner in St. Louis. Gezeichnet, Wm. H. Ashley"


Donnerstag, 10. Oktober 2024

21.8.1895: "He was Bad" - John Wesley Hardin tot, El Paso erleichtert

 Das John Wesley Hardin ein berüchtigter Revolverheld mit einem aufbrausendem und leicht reizbaren Temperament, haben wir in unseren Podcast-Folgen ausführlich besprochen. Nicht zu unrecht gilt Hardin als der Wildwest-Outlaw, der die meisten Menschenleben auf dem Gewissen hat.

Mit welcher Erleichterung allerdings die Zeitungen in El Paso die Nachricht aufgenommen haben, dass Hardin in einem Saloon von Constable John Selman Sr. regelrecht ermordet wurde, hat mich dann doch überrascht:

Hardins Death -
Hardins Death - "He was bad" 21 Aug 1895, Wed El Paso Times (El Paso, Texas) Newspapers.com

Ja, "die Bürger von El Paso haben erleichtert aufgeatmet, als sie gestern früh in der TIMES die Nachricht von der Tötung von John Wesley Hardin Montag Nacht im Acme [Soloon] durch John Selman gelesen haben. Einige sagen es war Mord, aber alle sind sich einig dass das zu erwarten war. Drei von vier Personen sagen dass Captain Selman das richtige getan hat, als er Hardin tötete und dabei kein Risiko einging [Selman schoss Hardin von hinten mit einem Gewehr in den Kopf], während die vierte zugab dass Hardin's Tod gut für El Paso ist, aber dass sie denken, er hätte "eine Vorführung für seinen weißen Verbündeten" bekommen sollen."

Die El Paso Times zeichnet anlässlich des Todes auch ein sehr wenig schmeichelhaftes Bild vom Leben John Wesley Hardins und widmet dem Ereignis fast eine gesamte Seite seiner Ausgabe. Auch wenn Hardin berühmt, berüchtigt und womöglich auch respektiert wurde während seiner letzten Lebensmonate in El Paso - sonderlich hoch geschätzt wurde er offensichtlich nicht.


Mittwoch, 2. Oktober 2024

17. August 1871: "Ein besonders teuflischer Mord" - Der Mann, der sterben musste, weil er zu laut schnarchte

 Von der Texas State Police Steckbrieflich gesucht und mit einem Kopfgeld von 400$ auf seine Ergreifung ausgestellt war John Wesley Hardin, unter dem Decknamen "Wesley Clemens", mit einem Viehtreck nach Abilene in Kansas gezogen. Im Juli 1871 kam Hardin, der auf seiner Reise von anderen texanischen Cowboys den Namen "Arkansas" oder "Little Arkansas" erhalten hatte, in Abilene an. Doch Anfang August musste Hardin alias "Arkansas" Kansas bereits wieder fluchtartig verlassen. In der Nacht vom 6. auf den 7. August hatte er im Hotel "The American House" einen Mann namens Charles Couger im benachbarten Zimmer getötet. Wie man später sagen sollte, hatte der jähzornige, angetrunkene Hardin Couger erschossen, weil dieser zu laut geschnarcht hatte,

War dem wirklich so? Zumindest erwähnen lokale Zeitungen den Umstand, dass Couger geschnarcht hätte, in den Meldungen unmittelbar nach der Tat nicht. Allerdings nahmen selbst die lokalen Zeitungen in ihrer Berichterstattung die Details oft nicht ganz genau, wie beispielsweise dieser kurze Artikel aus dem Leavenworth Daily Commercial (Fort Leavenworth, Kansas) vom 10.8.1871, gerade einmal drei Tage nach der Tat, demonstriert:

Wild Bill Abilene Marshal
Wild Bill Abilene Marshal 10 Aug 1871, Thu Leavenworth Daily Commercial (Leavenworth, Kansas) Newspapers.com

Einmal abgesehen davon, dass die Zeitung es nicht einmal hinbekommt den Ort "Abilene" richtig zu schreiben, wurde hier offenbar kräftig Flüsterpost gespielt ehe dieser Bericht in der Zeitung abgedruckt wurde: Der Getötete hieß in Wahrheit Charles Couger, nicht Charles Coredey; Hardin wird korrekt als Texaner mit dem Rufnamen "Arkansaw" identifiziert, aber fälschlicherweise als "Smith Clemens" bezeichnet - er war unter dem Namen "Wesley" oder "Wes" Clemens unterwegs. Interessant ist, dass hier "Arkansaw" bereits fünf Morde in nur drei Monaten nachgesagt werden, was wahrscheinlich seine Zeit auf dem Viehtreck von Texas nach Abilene mit einschließt (manche Biographen vermuten, dass die Zahl in dieser Zeit sogar eher bei 8 oder noch mehr liegen dürfte).

Einen etwas ausführlicheren Bericht liefert dagegen der Abilene Weekly Chronicle am 17. August 1871:

John Wesley Hardin kills Charles Couger in Abilene, Texas, 1871
John Wesley Hardin kills Charles Couger in Abilene, Texas, 1871 17 Aug 1871, Thu The Abilene Weekly Chronicle (Abilene, Kansas) Newspapers.com

Auch wenn der Artikel viel mehr Details liefert und Hardin sowie das Opfer mit den richtigen Namen identifiziert, schleicht sich hier mindestens noch ein Fehler mit ein ("Wesley Clemens" wird fälschlicherweise als aus Mississippi kommend identifiziert). Obwohl auch hier nicht erwähnt wird ob Cougar geschnarcht haben mag oder nicht, ist die beschriebene Art seines Todes interessant: Couger wurde erschossen, während er auf seinem Bett saß und Zeitung las; vier Kugeln wurden durch die Wand in sein Zimmer gefeuert, von denen eine sein Herz traf und ihn wohl auf der Stelle tötete. Das Motiv, so die Zeitung, sei unbekannt. (Und obwohl die Zeitungen ihm geringe Fluchtchancen einräumen, sollte Hardin im Übrigen erfolgreich zurück nach Texas fliehen und seine "Laufbahn" als Revolverheld noch mindestens drei Jahre fortsetzen...)

Über den Tod von Charles Couger gibt es viele unterschiedliche Geschichten. In manchen davon kannten sich Hardin und Couger und waren in der Nacht gemeinsam ins Hotel gegangen; in anderen waren sie sogar zeitweise gemeinsam auf dem Chisholm-Trail geritten; in wieder anderen waren die beiden einander unbekannt. Doch das Gerücht, das Couger sterben musste, weil er zu laut schnarchte, sollte sich hartnäckig halten und wird von Hardin sogar in seiner eigenen Biografie aufgegriffen. Eine Zeitung in El Paso sollte den Revolverhelden mit den Worten zitieren "Die Leute sagenm ich hätte sieben oder acht Männer getötet, weil sie zu laut schnarchten. Das ist nicht wahr. Ich hab nur den einen getötet."

Tatsächlich scheint aber, sieht man sich den oberen Artikel genau an, an den Gerüchten etwas dran zu sein. Couger war offenbar beim Zeitung lesen, auf dem Bett sitzend, eingeschlafen. Hardin feuerte mehrmals durch die Wand, weil er vermutlich einen auf dem Bett liegenden Mann wecken wollte. Womit er nicht gerechnet hatte war, dass der Mann nicht flach auf dem Bett lag, sondern aufrecht saß...

(Dieser Artikel ist für mich auch aus einem weiteren Grund interessant, als dass er keine Zweifel am Schicksal des Täters lässt. "Der Mörder entkam und ist seinen Verfolgern bisher entgangen. Sollte er gefasst werden, wird er wahrscheinlich auf der Stelle getötet werden." heißt es hier; "Viele Leute sind zu dem Schluss gekommen, dass es nicht viel nützt, Mörder vor die Geschworenen von Davis County zu bringen, und wir befürchten, dass Mörder in dieser Gegend künftig im Schnellverfahren abgeurteilt werden." Der Gedanke an Lynchjustiz ist im wilden Abilene nicht fern...

(Im Anschluss noch eine volle Übersetzung des zweiten hier geposteten Artikels):

"MORD. In der Nacht des 6. Dezembers wurde im „American House“ in diesem Ort ein teuflischer Mord verübt. Der Name des Ermordeten war Charles Couger und der des Mörders Wesley Clemens, alias „Arkansaw“. Couger war ein Rinder-Boss und galt als Gentleman; Clemens stammt aus Mississippi. Couger saß in seinem Zimmer auf dem Bett und las eine Zeitung. Durch eine Bretterwand wurden vier Schüsse auf ihn abgefeuert, von denen einer ihn in den fleischigen Teil des linken Arms traf, die dritte Rippe durchschlug und in das Herz eindrang, wobei ein Stück des Herzens vollständig abgetrennt wurde und Couger fast sofort tot war. Der Mörder entkam und ist seinen Verfolgern bisher entgangen. Sollte er gefasst werden, wird er wahrscheinlich auf der Stelle getötet werden.

Der Gerichtsmediziner J.M. Shephard untersuchte die Leiche des Verstorbenen, und die Geschworenen kamen zu dem Schluss, dass Charles Couger durch eine Kugel aus einer Pistole von Wesley Clemens zu Tode kam.

Die Ursache für den Mord ist noch nicht bekannt. Viele Leute sind zu dem Schluss gekommen, dass es nicht viel nützt, Mörder vor die Geschworenen von Davis County zu bringen, und wir befürchten, dass Mörder in dieser Gegend künftig im Schnellverfahren abgeurteilt werden."

20. November 1903: Tom Horn wird gehängt

 Tom Horn hatte ein überaus bewegtes Leben hinter sich: Mit 14 verließ er das Elternhaus in Missouri, um sich zunächst als Kutscher in Kansa...