Freitag, 28. Juni 2024

Vermischtes: "Eine Uhr schmückt nun das Schreibzimmer des Komantschenhäuptlings"

Wenn ich alte Zeitungen aus der Zeit des "Wilden Westens" durchblättere werfe ich immer gerne einen Blick auf die Kurznachrichten. Diese oft nur in jeweils 2-4 Zeilen wiedergegebenen Beiträge vermitteln oft einen besseren Eindruck über das, was die Bewohner in diesen Tagen alltäglich beschäftigt und interessiert hat als die großen Artikel über einmalige Ereignisse. 


Quelle: Texas Digital Newspaper Program in The Portal to Texas History. University of North Texas Libraries. accessed June 28, 2024

Das hier gepostete Beispiel zeigt eine Reihe von Kurznachrichten aus dem "Brenham Daily Banner" vom 24. April 1881, erschienen im texanischen Örtchen Brenham (das zu diesem Zeitpunkt etwa 4000 Einwohner hatte). Hier finden sich viele Beispiele von typischen Themen wieder, die in jenen Tagen und Gegenden regelmäßige Relevanz hatten: Wetter und Landwirtschaft spielen eine große Rolle ("Der Späte Frost hat die erste Ernte in Milam County zerstört"; Baumwollsamen sind in der Gegend von Waelder in Gonzales County sehr knapp"); Wildwest-Kriminalität ("Pferdediebe haben vergangene Woche in Rockwell zugeschlagen"); Krankheiten und Seuchen ("Die Häftlinge in Jefferson sitzen gerade eine Zeit Mumps und Masern ab"; "Es gibt Mumps, Masern, Scharlach und Keuchhusten in und um Giddings, infolgedessen sind die Schulen vorübergehend geschlossen"); amüsierte Beobachtungen ("George Washington lenkt einen Lumpensammlerwagen in Austin, und Thomas Jefferson verkauft Eiskrem in Brenham"); und Nachrichten von gesellschaftlichem Interesse ("Die beiden vielversprechendsten Witwer von Caldwell haben sich jüngst neu verheiratet"; "James C. Francis, langjähriger Bürger von Austin, ist kürzlich verstorben").

Und mitten in diesen allgemeinen, aber fast banal anmutenden alltäglichen Nachrichten steht plötzlich diese Notiz: "Eine Uhr ziert nun das Schreibzimmer des Komantschenhäuptlings. Sie macht sich schick."

Quelle: Texas Digital Newspaper Program in The Portal to Texas History. University of North Texas Libraries. accessed June 28, 2024

Es sind nur vier kurze Zeilen, aber sie erzählt so viel und wirft gleichzeitig so viele Fragen auf. Es zeichnet ein Bild eines Natives, das wahrscheinlich in dieser Zeit gar nicht einmal so nicht unüblich war und das doch im Widerspruch zu den heute geläufigen Western-Klischees steht: Ein indigener Häuptling, der ein typisches zivilisiertes Schreibzimmer besitzt, in dem natürlich auch eine Uhr steht. Tatsächlich interagierten Comanchen und "weiße Texaner" in diesen Tagen viel miteinander; Quannah Parker, der oft als "der letzte [Kriegs-]Häuptling der Comanchen" bezeichnet wird, war beispielsweise in diesen Tagen ein Geschäftspartner des bekannten texanischen Ranchers Charles Goodnight. Gleichzeitig zeigt es die Ignoranz der "weißen Texaner" gegenüber ihren indigenen Nachbarn, spricht der Beitrag doch von "DEM Komantschen-Häuptling", nennt ihn aber nicht bei Namen - wer ist hier denn gemeint? (Die Comanche sind weniger ein einzelner Stamm als vielmehr eine indigene Nation, die sich aus mehreren Stämmen zusammensetzt - und daher mehrere "Häuptlinge" bzw. Anführer haben kann.) Dennoch mag es 1881 noch kurios genug erschienen zu sein, dass die Zeitung es für nötig hielt, hier einen kurzen Beitrag zu verfassen. 

Mittwoch, 19. Juni 2024

19.6.1874: Ein Lobgesang auf Wyoming

 Eine typische Frontier-Zeitung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts umfasste in der Regel 4 Seiten, die nicht selten wie folgt befüllt waren:

Quelle: Wyoming Digital Newspaper Collection, University of Wyoming and Wyoming State Library

Dieses - zugegebenermaßen etwas extreme - Beispiel zeigt den Laramie Daily Sentinel vom 19. Juni 1874: Sieben eng beschriebene Spalten Text, von denen bis zu 6 ausschließlich mit Anzeigen aus Laramie City (Wyoming) oder dem umgebenden Albany County befüllt waren und oft nur ein oder zwei Spalten Nachrichten oder Kommentare lieferten. Und selbst diese bestanden oft nur aus Anekdoten - oder wohl eher mehr oder weniger geschmackvollen Witzen...

Quelle: Wyoming Digital Newspaper Collection, University of Wyoming and Wyoming State Library

Laramie City wurde 1868 als Eisenbahnstadt gegründet; laut Zensus von 1870 lebten in dem Ort 828 Personen, bis 1880 war die Stadt immerhin auf knapp 2700 Einwohner gewachsen; 1874 dürfte diese Zahl also so um die 1500 oder 1600 gelegen haben. Doch das hindert den Autoren des Sentinel nicht daran, die Stadt in höchsten Tönen zu loben (eine der schönsten Städte entlang der Transkontinentalen Eisenbahn"), kann sie doch bereits "5 Kirchen von 5 Konfessionen (allesamt mit Orgeln, drei davon mit Glocken), eine Schule mit 150 Lernwilligen und eine Hochschule" vorweisen. Und auch die Freimaurer und ein Templerorden sind bereits ortsansässig...

Quelle: Wyoming Digital Newspaper Collection, University of Wyoming and Wyoming State Library

Mehr als ein Drittel des gesamten "redaktionellen Inhalts" dieser Ausgabe sind Lobpreisungen auf all die Vorzüge, die das junge Wyoming Territory (erst ab 1868 offiziell zur Besiedlung freigegeben und bis zum Jahr 1880 mit etwa 20000 Einwohner auf seinen circa 250.000 Quadratkilometer gesegnet) zu bieten hat: Das Land biete eine derartig wunderbare Fülle an verschiedenem jagbaren Wild, (studiert in "jedem Sommer[...]von den größten Naturforschern und -gelehrten"), dass, Zitat, "ein englischer Gentleman, der hier für zwei Jahre jagte und anschließend hier abreiste, um in der Wildnis von Afrika und Indien Löwen, Tiger, Rhinozerosse und Elefanten zu jagen, hierher geschrieben hat, dass der Sport dort als Jadggebiet nicht annähernd an Wyoming heranreiche".


Quelle: Wyoming Digital Newspaper Collection, University of Wyoming and Wyoming State Library


Überhaupt ist alles an Wyoming das beste, schönste und reichhaltigste, dass Amerika zu bieten habe: Kein anderes Gebiet dieser Erde sei so reichhaltig an verschiedenen Bodenschätzen, oder habe eine so vielfältige Flora und Fauna zu bieten, wie das Territorium an den Rocky Mountains.

Quelle: Wyoming Digital Newspaper Collection, University of Wyoming and Wyoming State Library


Auch für Kranke sei das Wyoming Territory, mit seiner wunderbaren Bergluft und den vielen heißen Quellen, ein wahres Paradies...

Quelle: Wyoming Digital Newspaper Collection, University of Wyoming and Wyoming State Library



Und haben wir bereits die Bodenschätze erwähnt, die mit nur "sehr geringem Aufwand an Kapital" geborgen werden können?

Quelle: Wyoming Digital Newspaper Collection, University of Wyoming and Wyoming State Library


Und natürlich ist Wyoming "dazu bestimmt, das größte Viehbestand produzierende Gebiet Amerikas zu werden". So ganz unwahr ist diese Behauptung nicht: Wyoming wurde in der Tat bis 1890 zu einem der drei größten Gebiete für Schaf- und Rinderzucht in den Vereinigten Staaten und ist nicht zuletzt deswegen bis heute noch als einer DER "Cowboy-Staaten" der USA bekannt:

Quelle: Wyoming Digital Newspaper Collection, University of Wyoming and Wyoming State Library


Persönlich am amüsantesten finde ich den Vermerk auf das Wetter in Wyoming: Das Wetter ist "fast immer klar und Hell, wir haben in diesem Land in vierzehn Jahren niemals so etwas wie einen feuchten, bewölkten, nebligen oder regnerischen Tag gesehen". (Das mit dem klaren Himmel mag zutreffen, aber Wyoming ist auch bekannt als einer der US-Bundesstaaten mit den größten Unterschied in Wetter- und Temperaturextremen: Lange Winter von Oktober bis April, nicht selten mit tage- oder wochenlangen Blizzards im Jahr, oft gefolgt von sehr heißen, trockenen Sommern; bemerkenswerterweise schweigt sich der Zeitungsartikel über Temperaturen vollständig aus).

Quelle: Wyoming Digital Newspaper Collection, University of Wyoming and Wyoming State Library



Auch Tipps für interessierte Einwanderer hat der Laramie Sentinel zu bieten: Auf keinen Fall sollen Immigranten, die vom Westen her kommend sich im Wyoming Territory niederlassen möchten, hierfür die Eisenbahn nehmen, sondern viel lieber das Geld in einen Wagen und ein ordentliches Ochsengespann investieren und die "vier bis acht Wochen" Reise auf diese Art zu bewältigen: Man spart eine Menge Geld, die man in ordentliche Tätigkeiten vor Ort investieren kann, und diese Art der Reise berge "keinerlei Gefahr" (oder sei "unendlich sicherer wie noch vor 12 oder 15 Jahren"...); sie sei vielmehr "ein Quell an Gesundheit und Vergnügen"!

Quelle: Wyoming Digital Newspaper Collection, University of Wyoming and Wyoming State Library

Man könnte noch viele weitere Stellen herauspicken; ich kann nur empfehlen, sich die Zeitung und die diversen Artikel zu den Lobpreisungen über die Wunder Wyomings einmal selbst vorzunehmen. Eine sehr kuriose und wundersame Zeitkapsel aus dem Frontier-Journalismus von vor 150 Jahren.

Eine Frage stellt sich mir allerdings: für wen waren diese lobpreisenden Ergüsse gedacht? Der Laramie Sentinel erschien nur in Laramie selbst - brauchten die 1500 Einwohner des Ortes wirklich Tipps, wie man "richtig" von Kalifornien nach Wyoming einwandert? Waren die Leser wirklich so erpicht darauf in einem Lokalblatt zu lesen, wie übermäßig toll ihr Territorium ist? Hat der Autor darauf spekuliert, dass ein auswärtiges Blatt auf diese Beträge aufmerksam wird und diese übernehmen möchte? Wir werden die Antwort darauf wohl nie erfahren.

(Überhaupt scheint der Redakteur und Herausgeber des Laramie Sentinel, ein gewisser J.H. Hayford, ein sehr sonderbarer Geselle gewesen zu sein, der das Blatt als sein persönliches Sprachrohr nutzte um seine  bisweilen doch etwas ... naja, sagen wir speziellen... Ansichten und Kommentare über Gesellschaft und Politik zu verbreiten. Die Wildwest-Zeit gilt ja oft als nicht besonders aufgeklärt, aber selbst in diesem Umfeld wirken die Auswüchse aus seiner Feder oft besonders ausfallend sexistisch oder rassistisch... aber das ist ein Thema für ein anderes Mal). 



Montag, 17. Juni 2024

"Die demokratische Partei und das Volk haben zugestimmt, sich der Ursurpation zu unterwerfen..."

 Die Präsidentschaftswahlen von 1876 sollten mit einem kontroversen Ergebnis enden: Erstmals hatte ein Präsidentschaftskandidat die meisten Wahlmannsstimmen aus gewonnenen Staaten erringen können, obwohl sein Gegner mehr Stimmen aus der Bevölkerung errungen hatte. Das war in den Vereinigten Staaten der Nach-Bürgerkriegszeit eine besonders prekäre Situation: Die noch regierenden Republikaner hatten Truppen in den Staaten des Südens stationiert, die für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Bürgerrechte sorgen sollten. Die Demokraten des Südens warfen dagegen den Republikanern Korruption und Selbstbereicherung vor. Nun hatte mit Samuel Tilden ein Kandidat der Demokraten offiziell mehr Stimmern erlangt als Rutherford B. Hayes, der Kandidat der Republikaner - und sollte trotzdem nicht Präsident werden. Gerade einmal 12 Jahre nach Ende des Sezessionskriegs drohte nun dieses Szenario abermals, einen neuen Bürgerkrieg vom Zaun zu brechen.

Ein Sonderausschuss des Kongresses sowie eine Reihe von Absprachen zwischen den beiden Parteien endeten im "Kompromiss von 1877": Rutherford B. Hayes wurde als Präsident der Vereinigten Staaten bestätigt. Dafür, dass die Demokraten ihre Zustimmung gaben, sollten im Gegenzug alle föderalen Truppen aus den Staaten der ehemaligen Konföderation abgezogen und die Einhaltung der Bürgerrechte den gewählten Vertreten jener Staaten selbst überlassen werden. Rutherford Hayes stimmte zudem zu, nur für eine Amtszeit als Präsident anzuteten und somit seine Regierung auf garantierte vier Jahre zu beschränken. Die "Reconstruction", das Wiederherstellen der gesamten Union, war offiziell beendet.

Im Norden der Vereinigten Staaten (wie auch in zahlreichen Zeitungen Europas) wurde dieses "Einknicken" der Republikaner gegenüber dem einst rebellischen Süden als ein "Teufelspakt" wahrgenommen (wie etwa die hier gezeigte politische Karikatur von Joseph Keppler aus dem deutschen Satiremagazin Puck von 1877, in der sich Präsident Hayes mit einer "Southern Belle" davonmacht während Mephistopheles am Wegesrand steht, eindrucksvoll zeigt). Im Süden der Vereinigten Staaten sah die Stimmung dagegen deutlich anders aus, wie dieser beispielhafte Kommentar aus der Morristown Gazette (Morristown, Tennessee) vom 7. März 1877 zeigt: Dort wird den seit dem Bürgerkrieg regierenden Republikanern - und speziell Rutherford Hayes - unverhohlen mit Abneigung und Vorbehalten hinsichtlich undemokratischen Verhaltens begegnet, der Ausgang der wahl als "Ursapation" [sic] angesehen und der Kompromiss als das einzige Mittel gesehen, um die anhaltende Spaltung der Nation endlich zu beenden:

Hayes announced as President
Hayes announced as President 07 Mar 1877, Wed The Morristown Gazette (Morristown, Tennessee) Newspapers.com

"ES IST VOLLBRACHT. Die Große Kommission hat ihre Arbeit abgeschlossen. R. B. Hayes aus Ohio ist zum Präsidenten der Vereinigten Staaten für vier Jahre ab dem vierten März 1877 ernannt worden. Wie dieses Ergebnis zustande gekommen ist, wissen und verstehen alle Menschen im Lande. Wir brauchen jetzt nicht darauf einzugehen. Die Demokratische Partei und das Volk sind übereingekommen, sich eher der Usapation [sic] zu unterwerfen als in einen Bürgerkrieg zu stürzen.

Wir werden der Regierung des neuen Präsidenten keine verfängliche, unruhige Opposition entgegensetzen. Da wir nichts Gutes erwarten, hoffen wir immer noch, dass sie eine Verbesserung dessen sein wird, was wir in den letzten acht Jahren ertragen mussten. Die Menschen sind des Streits müde. Falls Mr. Hayes als der Präsident des ganzen Volkes und nicht das Oberhaupt einer selbstsüchtigen, herzlosen, korrupten Partei ist; wenn er sich von der Kontrolle der Berufspolitiker befreien und sich zur Würde eines Staatsmannes erheben könnte; wenn er den Menschen im Süden die Freiheit lässt, ihre eigenen Staatsangelegenheiten auf ihre Weise zu regeln; dann können wir in der Tat erwarten, dass der Friede in die gesamte Union zurückkehrt.

Vier Jahre im Leben einer Nation sind nur eine Spanne. Eine schwache, korrupte oder schlechte Regierung für diese Zeitspanne kann den Fortschritt des Volkes etwas lähmen, aber sie kann keinen dauerhaften Schaden anrichten. Im Großen und Ganzen sind wir also keineswegs entmutigt oder verzagt. Wir verlassen uns auf das Volk, in das wir uneingeschränktes Vertrauen haben."

(Mehr zu Präsident Hayes, der Reconstruction und wie es zu diesem Kompromiss kam gibt es übrigens in unserer Podcast-Folge vom 24. Juni zu hören).


Dienstag, 11. Juni 2024

14. April 1881: Vier Tote in fünf Sekunden

Am 14. April 1881 ereignete sich in den Straßen der texanischen Boomtown El Paso, nahe der mexikanischen Grenze, eine der berühmtesten Schießereien des Staates Texas. Der Schießerei war ein Streit über in Mexiko gestohlene Rinder und die Ermordung zweier Mexikaner, die den Rinderdieben nachstellten, vorangegangen. Die getöteten Männer waren in der Nähe der Ranch eines gewissen John Hale gefunden worden.An der Schießerei beteiligt war Dallas Stoudenmire, der selbst erst drei Tage zuvor zum Marshal des rapide wachsenden Städtchens berufen worden war.

Die Schießerei wurde auch als der "Four Dead in Five Seconds Gunfight" bekannt und war, wie der Name andeutet, schnell vorüber und äußerst tödlich. John Hale und ein mit ihm befreundeter Rancher namens Georga Campbell - selbst ehemaliger Town Marshal von El Paso  - waren mit einem Deputy namens Gus Krempkau in Streit geraten. Krempkau hatte bei einer Anhörung hinsichtlich der getöteten Männer für die anwesenden Mexikaner spanisch übersetzt und dadurch in den Augen von Campbell und Hale zu sehr für die Mexikaner Partei ergriffen - stand doch implizit auch der Vorwurf im Raum, dass Angestellte Hale's in den vorausgegangenen Rinderdiebstahl und die Ermordung der zwei Mexikaner involviert gewesen sei. Während der Konfrontation zog ein stark angetrunkener Hale einen von Campbell's Revolvern und schoss - ob absichtlich oder unabsichtlich ist nicht geklärt - auf Krempkau, der tödlich getroffen zu Boden ging. Von dem Schuss aufgeschreckt sprang Dallas Stoudenmire, der eben auf der anderen Straßenseite zu Mittag gegessen hatte, auf, zog seine beiden Kaliber .44 Smith & Wesson Revolver und rannte aus beiden Waffen schießend auf die Straße. Nachdem die auch als “Battle of Keating’s Saloon" bekannte Schießerei nach nur wenigen Sekunden vorbei war, waren vier Männer tot oder lagen im Sterben: Krempkau, Hale, Campbell sowie ein weiterer unbeteiligter Mexikaner, der wohl von einer von Marshall Stoudenmire's Kugeln in den Rücken getroffen wurde als er versuchte wegzulaufen.

Die Nachricht über den Schusswechsel verbreitete sich in Windeseile und fand sich im Lauf der folgenden Woche in Zeitungen in den gesamten Vereinigten Staaten wieder, an Ost- und Westküste gleichermaßen. Am genauesten berichtete dabei noch die deutschsprachige "Freie Presse für Texas" über den Vorfall, die  sich in ihrem Bericht noch die Mühe machte, auch die Hintergründe der kurzlebigen und fatalen Schießerei aufzurollen:

Quelle: Texas Digital Newspaper Program in The Portal to Texas History. University of North Texas Libraries. accessed June 11, 2024

Die meisten Zeitungen, die landesweit von den Vorfall berichteten, druckten in weiten Teilen den selben wohl via Telegraphen verbreiteten Bericht ab, der allerdings bereits einige Fakten durcheinander brachte: Statt von einer Schießerei, die effektiv im Streit über zwei ermordete Mexikaner ausgebrochen ar, zu berichten heißt es hier nun, während der Schießerei seien zwei (nicht ein) Mexikaner getötet worden; und Deputy Krempkau, der von Hale und Campbell als "Mexikaner-Freund" beschimpft worden war, wurde posthum selbst zum Mexikaner gemacht.

Quelle: Chronicling America - Library of Congress

Interessant übrigens, wie in einem Fall von Flüsterpost der -falsche- Grundtenor des Artikels erhalten bleibt, aber die Zeitungen selbst den ungewöhnlichen Namen "Krempkau" stets in einer anderen Falschen Variante wiedergeben. Die Freie Presse für Texas hatte ihn noch richtig genannt, in diesem Beitrag wird er hingegen "Kremkan" genannt; in anderen Versionen wird aus dem Namen etwa ein "Kremkaw" (Daily Los Angeles Herald, Kalifornien)"Kreman" (Watertown Republican, Watertown, Wisconsin); oder gar "Kremalus" (Eureka Daily Sentinel, Nevada).

Dallas Stoudenmire sollte nach dieser Schießerei im gesamten Land bekannt werden, auch wenn die Zeitungen in den ersten Tagen nach dem Vorfall nur recht wenig über die Identität des "Town Marshals", der "ohne Erfolg versucht hatte "die Unruhe zu dämpfen" (tatsächlich saß er als der Vorfall begann auf der anderen Straßenseite im Saloon seines Schwagers beim Mittagessen). Drei Tage später sollte ein ehemaliger Deputy Marshal namens Bill Johnson, der von Stoudenmire am Tag seiner Amtseinführung gefeuert und gedemütigt worden war, ein erfolgloses Attentat auf Stoudenmire durchführen. Dies sollte den Ruhm von Dallas Stoudenmire über die Grenzen des Staates Texas hinaus bekannt machen. Unter anderem berichtet der "Deutsche Correspondent" aus Baltimore, Maryland, am 20. April 1881 über "Stadtmarshall Dallas Studemeyer"...

 
Quelle: Chronicling America - Library of Congress

...wenngleich auch hier die Details ein wenig durcheinander gerieten (Bill Johnson war nur ein ehemaliger Deputy Marshal gewesen; Stoudenmire hatte aber während des "Four Dead in Five Seconds Gunfight" seinen Amtsvorgänger George Campbell erschossen).

El Paso war übrigens in diesen Tagen als ein heißes Pflaster bekannt: Ein Städtchen nahe der mexikanischen Grenze, durch welches drei Eisenbahnlinien liefen. Speziell die zwei direkten Eisenbahnverbindungen zwischen den USA und Mexiko, die in diesem Ort Halt machten, und der gleichzeitig boomende Rindermarkt ließen El Paso in Windeseile wachsen: Anfang 1880 hatten noch gerade einmal zwischen 700 und 800 Einwohner in dem Örtchen gelebt, doch bis zum April 1881 sollte diese Zahl bereits auf etwa 6000 anschwellen! Das machte El Paso selbst innerhalb von Texas als einen besonders wilden und gesetzlosen Ort bekannt, der in diesen Tagen auch unter dem Spitznamen "Hell Paso" bekannt wurde. Der "Brenham Daily Banner" (Brenham, Texas) hielt am 19. April 1881 die folgende nette Beschreibung über El Paso bereit:

Quelle: Texas Digital Newspaper Program in The Portal to Texas History. University of North Texas Libraries. accessed June 11, 2024

"Man stelle sich die Straßen von San Angela vor, nur mit den Dächern allesamt flach, und etwa 1000 betrunkene Männer, Eisanbahnarbeiter, Glücksspieler und Abenteurer die durch die Straßen torkeln, streiten und johlen, und man hat eine ziemlich akkurate Vorstellung von El Paso wie es gerade ist. Dass dort eines Tages eine gute Stadt entstehen wird, oder wahrscheinlich eher ein Stückchen weiter flußabwärts, daran hege ich keine Zweifel."


Donnerstag, 6. Juni 2024

"Ein geflügeltes Monster, einem riesigem Alligator mit immensen Flügeln ähnelnd..."

 In unserer Podcast-Folge zu legendären Kreaturen des Wilden Westens erwähnten wir unter anderem den Thunderbird: Einem gigantischen Vogel, der in den Mythen zahlreicher verschiedener indigener Kulturen vorkommt und der - je nach Mythos - ein Bote von heilsamen Regen oder zerstörerischen Stürmen ist, ein Wächter der unmoralische Menschen bestraft oder ein adlerartiger Krieger im Kampf gegen böse Geister der Unterwelt ist. 

Auch wenn der Thunderbird eine legendäre oder gar mythologische Figur ist, gab es in der Frontier- oder Wildwest-Ära durchaus auch den einen oder anderen "Weißen" der schwor, eine solche Kreatur mit eigenen Augen gesehen zu haben... oder gar erlegt! Über ein eben solches Ereignis berichtete der Tombstone Epitaph (Tombstone, Arizona) am 26. April 1890: Zwei Rancher aus der Gegend hätten in der nahen Huachuca-Wüste ein riesiges, geflügeltes Monster entdeckt, dass - wohl nach einem langen Flug erschöpft - in der Wüste gelandet sei und - nach dem es die beiden Männer attackiert hatte - von ihnen mit ihren Winchester-Gewehren erlegt wurde. Die Kreatur - "Ein geflügeltes Monster, einem riesigen Alligator ähnelnd, mit einem verlängertem Schwanz und immensen Schwingen" (aber mit nur zwei Klauenartigen Füßen)  - sei 92 Fuß (28 Meter) lang gewesen, mit einem 8 Fuß (fast 2,5 Meter) langen Kopf und einem Maul voller starker, scharfer Zähne und einer Flügelspannweite von 160 Fuß (fast 49 Meter)! 

A Strange Winged Monster Discovered and Killed on the Huachuca DesertA Strange Winged Monster Discovered and Killed on the Huachuca Desert 26 Apr 1890, Sat Tombstone Weekly Epitaph (Tombstone, Arizona) Newspapers.com

Da die Kreatur zu groß war, als dass die beiden sie hätten transportieren können, schnitten sie zum Beweis etwas von einem der Flügel der Kreatur ab und ritten nach Tombstone um Männer zu finden, die mit ihnen das Wesen herbeischaffen könnten ehe der Kadaver verrottet. 

Danach verliert sich aber die Spur des Wesens, in späteren Ausgaben des Epitaph wird nicht weiter darüber berichtet. Zwar finden sich in Büchern (und im Internet) Geschichten, dass zu einem späteren Zeitpunkt ein Foto des Wesens angefertigt wurde, das an einer Scheunenwand aufgehängt worden war, die Schwingen ausgebreitet und fünf Männer, die mit ausgestreckten Armen vor der Kreatur standen, noch immer überragte. Aber von einem solchen Foto fällt bis heute jede Spur... und so dürfte auch diese Erzählung nur ein weiterer Mythos aus dem Wilden Westen sein.


20. November 1903: Tom Horn wird gehängt

 Tom Horn hatte ein überaus bewegtes Leben hinter sich: Mit 14 verließ er das Elternhaus in Missouri, um sich zunächst als Kutscher in Kansa...