An dieser Stelle greifen wir einen Modetrend auf, den wir am Rande unserer Podcast-Folge zum Johnson County War einmal in einem kleinen Exurs angesprochen hatten.
Immer wieder kommen Modetrends auf, die für einen moralischen Aufschrei in Teilen der Gesellschaft sorgen: Zu unzüchtig! Zu aufreizend! Skandalös! Im modernen Zeiten sind es meistens zu figurbetonte oder viel Haut zeigende Kleidungsstücke die solche Reaktionen hervorrufen. Da mag es aus moderner Sicht befremdlich wirken, welche Art Kleid in den 1880er Jahren, vor allem in Regionen des Wilden Westens, für Furore sorgte: Das so genannte "Mother Hubbard" Kleid!
Blue cotton calico dress of Elizabeth Hinterleiter Keesacker, a Virginia native who moved to St. Louis in the early 1800s. Image Courtesy of the Missouri Historical Society, St. Louis. |
Während die übliche Frauenkleidung jener Zeit auf eng taillierte (mit Korsett getragene) Kleider Wert legte, die mit Unterröcken und Tornüre zur besonderen Absetzung des Pobereichs getragen wurden, lief der Mother Hubbard diesem Trend zuwider: Es war ein bewusst nicht figurbetontes, langes, weites und locker sitzendes Kleid mit langen Ärmeln und hohem Halsausschnitt, und sollte tatsächlich so viel Haut wie möglich bedecken.
Kleidungsstücke dieser Art gab es auch vor den 1880er Jahren bereits und wurden meist von Frauen während der Hausarbeit eingesetzt. Aber in der genannten Dekade erlangte das Kleid (das seinen Namen von einem Buch mit Kinderreimen namens "Old Mother Hubbard" bekam, in dem Mädchen mit Kleidern in diesem Stil illustriert waren) auch unter jungen Frauen Popularität, die die Bewegungsfreiheit und Luftigkeit dieses Kleidungsstils, gerade in heißeren Gegenden, sehr zu schätzen wussten.
Das erregte allerdings den Unmut und moralische Entrüstung - vor allem von Teilen der männlichen Bevölkerung. Manche - überwiegend männliche - Kommentatoren brachten ihre Entrüstung über das Unweibliche Erscheinungsbild von Frauen in diesem hässlichen, sackartigen Gewand - "All Skirt, no waist", wie es der Schreiber des folgenden Artikels ausführt - zum Ausdruck:
In unserem Podcast zum Johnson County War erwähnten wir, dass in Johnson County (speziell am Gerichtsstand in Buffalo) um das Jahr 1889 mutmaßliche Viehdiebe mit milden Strafen davonkamen, während das Tragen eines Mother Hubbard Kleides in der Öffentlichkeit mit bis zu 20$ bestraft werden konnte. Auch andernorts, beispielsweise in Kentucky, gab es Bußgelder für das öffentliche Tragen eines solchen Kleidungsstücks:
Auch kam es durchaus zu Verhaftungen wegen des öffentlichen Tragens eines Mother Hubbards:
Auch an Spott und anderen herablassenden Kommentaren mangelte es nicht:
Aber was genau störte die männliche (oder Teile der weiblichen) Bevölkerung an diesem Kleid? Ein Kommentator des Coffeyville Journals (Coffeyville, Kansas) brachte es, stellvertretend für andere ähnliche Beiträge, in einem Artikel auf den Punkt: Es sah zu sehr nach einem reinen Unterrock oder Nachthemd aus; "Junge Mädchen", die dieses Kleid trügen, sähen darin so aus, "als hätten sie vergessen, sich anzuziehen, nachdem sie morgens aus dem Bett aufgestanden sind"!
Weniger freundlich klang in solchem Zusammenhang der Vorwurf, Frauen würden in einem solchen Kleid wie Prostituierte aussehen (die solche Kleider wegen der Einfachheit des An- und Ausziehens bevorzugen würden; interessant, dass in den 1880ern das Bild vorzuherrschen schien, dass das Tragen eines WENIGER figurbetonten Kleides eher leichten Mädchen zugeschrieben wurde); das Tragen eines solchen Kleides wäre gewissermaßen Erregung öffentlichen Ärgernisses, und junge Damen würden "nur" deswegen verhaftet, um entsprechende unliebsame Avancen angehender Freier vorzubeugen.
Dodge City Times, Kansas, Juli 1883 |
Tahitian girls in mother Hubbard dresses. various, Public domain, via Wikimedia Commons |
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