Montag, 9. Dezember 2024

20. November 1903: Tom Horn wird gehängt

 Tom Horn hatte ein überaus bewegtes Leben hinter sich: Mit 14 verließ er das Elternhaus in Missouri, um sich zunächst als Kutscher in Kansas und in New Mexico durchzuschlagen, eher er in Arizona zum Cowboy, Dolmetscher und Scout wurde. Er war bei der Kapitulation des Apachen-Kriegers Geronimo anwesend, diente während des berüchtigten Pleasant Valley Wars als Hilfssheriff unter drei verschiedenen Sheriffs und heuerte schließlich als Detektiv bei der berühmten Pinkerton Detective Agency an.

Doch es sollte in erster Linie seine Tätigkeit als "Range Detective" in Wyoming sein, für die er auf zweifelhafte Art berühmt werden sollte. In den sich spätestens seit dem Johnson County War immer drastischer zuspitzenden Auseinandersetzungen zwischen den großen Rinder-Ranchern auf der einen und neu ankommenden Siedlern und Schafhirten auf der anderen Seite ergriff Horn eindeutig Partei: Er ließ sich dafür bezahlen, mutmaßliche "Viehdiebe" aufzuspüren und zu töten. Während vor allem die Viehzüchter in Wyoming Horn als einen hart durchgreifenden Mann feierten, der Rustlern nachhaltig das Fürchten lehrte, sahen viele andere in Horn nur den Handlanger der Interessen der reichen Rinderbarone. 500 bis 600$ soll Horn für jeden seiner "Aufträge" erhalten haben.

Als aber am 15. Juli 1901 der 14-jährige Willie Nickel, Sohn eines Schafhirten, ermordet aufgefunden wurde, fand die Laufbahn Tom Horns ein jähes Ende. Obwohl bis heute Zweifel daran bestehen, dass er der wirkliche Täter war, wurde Horn für schuldig befinden und am 20. November 1903 wegen Mordes am Galgen hingerichtet. Die Vollstreckung des Urteils wurde fast im gesamten Land vermeldet; Zeituzngen, wie die Deseret Evening News (Deseret, Utah) nutzen die Gelegenheit, um große Profile über den bis heute umstrittenen Tom Horn zu veröffentlichen - ein letztes Relikt aus dem Wilden Westen, für das im 20. Jahrhundert kein Platz mehr war.

Quelle: Chronicling America - Library of Congress


Mittwoch, 4. Dezember 2024

ca. 1885: "Die Fahrrad-Fresse"

 Eine Szene die mich als junger Western-Fan immer ein wenige verwundert hatte stammt aus einem der erfolgreichsten Western-Filme aller Zeiten: In "Butch Cassidy and The Sundance Kid" macht der von Robert Redford verkörperte notorische Bandit Butch Cassidy einen Ausritt mit seiner Geliebten - allerdings nicht, im Cowboy-Stil üblich, zu Pferd, sondern auf einem Fahrrad.

An den Ostküstenstaaten, aber auch in den größeren Western-Städten wie Cheyenne in Wyoming oder Denver in Colorado, wo Straßen zunehmend gepflastert waren, hielt ab den 1880er Jahren das Jahrrad in größerem Stil Einzug: Cowboys zu Pferd waren ebenso anzutreffen wie Männer, die mit dem Fahrrad unterwegs waren.

Diese neue Entwicklung wurde nicht überall positiv aufgenommen. Tatsächlich gab es auch Mediziner, die vor dem umgreifenden "Fahrrad-Wahn" auf eigenwillige Art warnten, wie dieser Beitrag aus dem Saint Paul Globe aus dem Jahr 1885 zeigt, spricht er doch von einem möglicherweise permanent bleibendem Schaden: Dem "Fahrrad-Gesicht" oder, um der Tonalität des Beitrags gerecht zu werden, vielleicht eher auch der "Fahrrad-Fresse":


Quelle: Library of Congress - Chronicling America

"Falls Sie einen Mann sehen, der einen gewohnheitsmäßig erschrockenen Ausdruck im Gesicht und einen wilden, erwartenden Blick in den Augen hat," sagt ein prominenter Arzt, "dann besteht eine Chance von 10 zu 1, dass er an einem "Fahrrad-Gesicht" leidet. Das ist eine neue Krankheit, und man sagt dass diese von der Aufmerksamkeit entsteht, die ein Radler seinem Gerät widmet, um gefährliche Hindernisse zu vermeiden. Ein jedes Alter und beide Geschlechter sind von diesem schmerzlichen Leiden betroffen. Sollte die Vererbungslehre greifen und der Fahrrad-Wahn weiter wachsen, dürfte das Land dem schrecklichen Gedanken einer Generation an Männern und Frauen mit weit aufgerissenen Augen entgegenblicken".


Montag, 25. November 2024

30. März 1866: "Lieferung von 6000 Rindern für die gefangenen Indianer" benötigt

 Die Unterbringung von fast 10.000 Navajo (und zusätzlich 500 Apachen) auf dem Gebiet des Bosque Redondo Reservats nahe Fort Sumner, New Mexico, war ein logistischer Alptraum. Was als ein Geländer zur Selbstversorgung der Natives mit Landwirtschaft angedacht war, war effektive ein Gefangenenlager auf wüstenartigem, für Ackerbau ungeeignetem Gelände. Es fehlte an Material und an Lebensmitteln, um die ab 1863 dort untergebrachten Indigenen zu versorgen. Aus New Mexico heraus konnte der Bedarf ebenfalls nicht gedeckt werden. Ab 1866 schrieb die US-Armee daher landesweit in Zeitungen Aufrufe aus, um Fort Sumner mit bis zu 6000 Rindern zur Versorgung der dort internierten Indianer zu versorgen. Charles Goodnight wurde auf einen dieser Aufrufe aufmerksam und beschloss, 2000 Rinder über eine Strecke von mehr als 600 Meilen von Belknap in Texas nach Fort Sumner in New Mexico zu treiben. Der große texanische Cattle Drive war geboren.

Welche Zeitung es genau war, die Charles Goodnight zu Gesicht bekam und die ihm auf die Idee des Viehtrails brachte ist mir nicht bekannt. Beispiele gab es genug; in der Episode zitierten wir aus einem Blatt in Kansas, aber auch in Zeitungen aus Pennsylvania, Massachusetts oder natürlich konnten wir entsprechende Inserate finden.


Quelle: Chronicling America - Library of Congress

Das hier gezeigte Inserat stammt aus "The evening telegraph" auf Pittsburgh (Pennsylvania). Der Artikel gibt genaue Vorgaben für Bewerber auf eine Ausschreibung "für die Lieferung von 6000  Rindern auf der Hufe für den Gebrauch für die gefangenen Indianer bei Fort Sumner, New Mexico" (Interessanterweise wird hier kein Hehl daraus gemacht, dass das Bosque Redondo Reservat nichts anderes als ein Internierungscamp war). Die Lieferungen sollen am 1. Juli 1866 erfolgen und aus 500 Kopf Rind bestehen, mit Folgelieferungen auf Absprache. Das Rind muss "zwischen drei und fünf Jahre alt sein, mindestens 400 Pfund wiegen [...] und von bester vermarktbarer Qualität [sein]". Jedes Gebot muss zudem von zwei verantwortlichen Personen gezeichnet werden.

Goodnight holte sich Oliver Loving als Partner und trieb mit ihm zusammen 2000 Rinder nach Fort Sumner (gut möglich, dass die Kopfzahl an Rind für Ausschreibungen später erhöht wurde, oder dass er sich eine gute Abnahme erhoffte, wenn er mit zusätzlichen Rindern direkt auftauchte). Am Ende konnte er davon 1200 Tiere verkaufen; während Goddnight nach Texas zurückkehrte und bereits den nächsten Treck vorbereitete, zog Oliver Loving weiter bis nach Colorado, um dort die restlichen Rinder zu verkaufen. Nach den beiden Pionieren des Cattle Drives wurde der Goodnight-Loving-Trail benannt - und die große Wildwest-Tradition der Vieh-Trecks war geboren.


Dienstag, 19. November 2024

Bill Pickett, "The Bull-Dogger": Ein schwarzer Cowboy als Western-Filmstar (ca. 1920)

 Das moderne Hollywood und der Western der Tonfilmzeit hat in den Köpfen eines modernen Publikums ein sehr "weißgewaschenes" Bild des Wilden Westens entstehen lassen: Ab den 1920er Jahren wurde "Segregation" zwischen Afroamerikanern und Amerikanern europäischer Abstammung auch in der Filmindustrie immer stärker betrieben. Zwar existierten gelegentlich auch "schwarze" Western, aber da Filmstudios für ein Afroamerikanisches Publikum meist weit schlechter finanziert waren, konnten diese sich die oft Actiongeladenen, aufwändig zu produzierenden Westernfilme nicht leisten.

Dabei gab es durchaus schwarze Cowboys. Nicht nur dass: In der Zeit er Wildwest-Zirkusshows und frühen Rodeo-Ära waren oft Cowboys Afroamerikanischer Abstammung die Stars der Show. Ein eindrucksvolles Beispiel ist Bill Pickett, Sohn einer freigelassenen Sklavin, ein mehrfach ausgezeichneter Rodeo-Reiter und einer der Stars des Wildwest-Zirkus der 101 Ranch, der aufgrund seiner robusten Statur und seinem durchsetzungskräftigen Wesens auch als der "Bull-Dogger" bekannt wurde. Tatsächlich wurden auf dem Gelände 101 Ranch auch sehr viele Western produziert - und Bill Pickett war in wenigstens einem dieser Filme der Star!

Bill Pickett, "The Bull-Dogger". Filmplakat ca 1921/1922

Viel ist über diesen Film leider nicht bekannt; das Filmmaterial aus jener Zeit war sehr hitze-, lichtm und witterungsempfindlich, und der größte Teil der vor 1930 produzierten Hollywoodfilme gilt heute als unwiederbringlich verloren. Es sind aber einige Ausschnitte aus "The Bull-Dogger" erhalten geblieben, die in erster Linie Pickett's Rodeokünste zur Schau stellen.


Die 101 Ranch war zeitweise einer der größten Ranchbetriebe in den USA. Auf ihrem Gelände wurde nicht nur eine weltweit bekannte Wildwest-Show aufgeführt: Die Ranch hielt auch 500 Bisons, die in diversen Westernfilmen dieser Zeit zur Schau gestellt wurden, und das Land war zum Teil von den in Oklahoma ansässigen Ponca oder Cherokee gepachtet, die auf der Ranch arbeiten und auf dem Gelände ihren traditionellen Lebensstil ausüben konnten. Natürlich diente das im Sinne der 101 Ranch auch dem Interesse der Show - aber dennoch war es in der Zeiten eine alles andere als übliche Praxis, und für viele Natives eine der besten Möglichkeiten, Geld zu verdienen und gleichzeitig ihre gewohnte Kultur zu erhalten.

In den 1920er Jahren stieg die 101 Ranch auch selbst ins Filmgeschäft ein und produzierte eigene Spielfilme. Wenigstens einer davon (The Big Show, 1926) ist auch heute noch erhalten geblieben. Leider habe ich keine Möglichkeit gefunden, diesen Film hier im Blog einzubetten; der 75-minütige Stummfilm-Streifen kann aber im Rahmen der amerikanischen National Film Preservation Foundation komplett und registrierungsfrei online angesehen werden!

Freitag, 15. November 2024

30. März 1879 - "Indianische Opfer"

Sind Indigene, im rechtlichen Sinne, "Persons"? Mit dieser Frage musste sich ein Bundesrichter in Nebraska im Mai 1879 befassen. Was aus heutiger Sicht selbstverständlich klingt, war im 19. Jahrhundert alles andere als eindeutig: Der Kongress weigerte sich, unterschiedliche Natives als "Nationen" anzuerkennen, und machte sie gewissermaßen zu "Mündeln" des Staates - womit auch Abschiebungen aus ihren Heimatgegenden in ferne Territorien und begrenzte Reservate gerechtfertigt wurden.

Wir haben diesen Umstand in unserer Podcast-Folge zu Ponca-Chief Standing Bear eingehender beleuchtet. Kavallerie-Captain Crooke war beauftragt worden, eine Gruppe Ponca, die nur einen der Ihren in der alten, ihnen heiligen Heimat bestatten wurden, zu verhaften und unversehens wieder in ihr über 600 Meilen entferntes Reservat zu bringen. Auf der Suche nach einem Weg, dies zu verhindern, ohne direkt den Befehl zu verweigern, wandte er sich heimlich an den einen Reporter des Omaha Herald, der als ein Verfechter von Indigenen-Rechten bekannt war - und der umgehend damit begann, den Vorfall im ganzen Staatsgebiet der USA bekannt zu machen. An dieser Stelle posten wir, wie in der betreffenden Episode versprochen, den frühesten Zeitungsbeitrag, den wir zu diesem Vorfall finden kunden: Ein Bericht über die Internierung von 26 Ponca unbewaffneten Ponca, und dem Schicksal, dass sie seit ihrer Ausweisung aus ihrer alten Heimat erlitten haben.



Ponca Indians, Chief Standing BearPonca Indians, Chief Standing Bear 30 Mar 1879, Sun The Omaha Herald (Omaha, Nebraska) Newspapers.com

Mittwoch, 13. November 2024

1. April 1879 - "Criminal Injustice" - Ponca-Chief Standing Bear

 In unserer Podcast-Folge über "Standing Bear vs. Crook" hatten wir über die diversen Zeitungsartikel berichtet, die über das Schicksal der Ponca berichteten. Reporter Tibbets war insbesondere von der Eloquenz des Ponca-Chief angetan. 

Auch in diesem Beitrag vom 1. April 1879 lässt Tibbets Standing Bear selbst sprechen, der in seinen eigenen Worten die ZWangsumsiedlung des Stammes von seiner alten Heimat in Nebraska ins Indian Territory (heutiges Oklahoma) beschreibt.

Standing Bear - Criminal CrueltyStanding Bear - Criminal Cruelty 01 Apr 1879, Tue The Omaha Herald (Omaha, Nebraska) Newspapers.com

Dienstag, 29. Oktober 2024

25.7.1893 - "Dwarf Americans" : Überreste einer "Rasse an Lilliputanern" geborgen

Die Staaten, die den "Wilden Westen" ausmachten, waren - und sind auch heute noch, mit beeindruckenden Landschaften und einer einzigartigen Flora und Fauna ausgestattet. Doch nicht nur das: Als Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Dinosaurier-Fossilien entdeckt bzw. als solche identifiziert wurden, waren es gerade die unberührten Landschaften der Dakotas, Nebraskas, Montanas oder Wyomings, die sich als reichhaltiger Fundort vollständiger Dinosauerier-Skelette erwiesen. Das beflügelte natürlich auch die Fantasien nicht nur der diversen Groschenroman-Autoren und Zeitungsreporter, sondern auch der Leser derselben an der eigentlich zivilisierten Ostküste. Wie wir bereits an anderer Stelle berichteten führte das unter anderem zu der Vermutung, dass es in den wilden, unberührten Weiten des Wilden Westens nicht vielleicht noch echte, lebende Dinosaurier geben könnte. Auch die reale Existenz lebender mythologischer Kreaturen aus indigenen Legenden wurde nicht ausgeschlossen. Warum also nicht auch die Vermutung, dass es auf dem amerikanischen Kontinent... echte Zwerge gegeben haben könnte?

The Rock Island Argus (Rock Island, Illinois), 25. Juli 1893 (Quelle: Illinois Digital Newspaper Collection)
Von einem solchen Fund berichtet der Rock Island Argus (Rock Island, Illinois) am 25. Juli 1893: Demach wurde am östlichen Rand der Smoky Mountains, in der Grenzregion zwischen North Carolina und Tennessee eine Gruft mit dem vollständigen Skelett einer "voll erwachsenen" Person gefunden, die dennoch nicht größer als 36 Inches (ca. 90 Zentimeter) war. Der Fund sei die Bestätigung von bisher als Aberglauben abgetanen Vermutungen, dass im östlichen Tennessee einst eine Rasse von Zwergen oder "Lilliputanern" gelebt haben soll. Hier geht es zum Artikel in voller Länge.

Demnach sprächen Native-Legenden von einem "Volk an kleinen, grimmigen Menschen" mit "roten Haaren", das sich einen "langen, blutigen Krieg" mit den Native-Stämmen geliefert hätte, aber letztlich "alle getötet" worden seien. Angeblich sollte es auch Höhlenmahlereien weit oben in den Great Smoky Mountains geben, die von diesem wilden Krieg berichteten.

Einer anderen, ebenfalls im Zeitungsartikel erwähnten Legende nach hsei dieses Volk von den Ureinwohnern auch die "Verehrer der Sonne" genannt worden. Diese sei ursprünglich "aus dem hohen Norden" gekommen, von wo sie von dortigen indigenen Völkern vertrieben worden waren. Am Ufer des Ohio River habe sich dieses Volk getrennt - während der eine Teil weiter gen Süden floh, zog der andere gen Osten und ließ sich in der Gegend des heute östlichen Tennessee nieder. "Es werde vermutet, dass dieses Volk die Vorfahren der mexikanischen Atzteken waren", mutmaßt der Artikel weiter; warum die Atzteken von einem Volk rothaariger Zwerge abstammen sollte, darüber schweigt sich der Beitrag allerdings aus.

Um diese "Relikte einer dahingeschiedenen Rasse" näher zu untersuchen habe das Smithsonian Institute einen "Professor Snow" und ein ganzes "Corps an Assistenten" in die Gegend entsandt. Ob dem auch wirklich so war, und falls ja zu welchem Urteil die Wissenschaftler gekommen sind, ist uns hier leider nicht näher bekannt. Die Tatsache, dass heute in der Geschichte der Great Smoky Mountains nichts von einem Volk an zwergischen Ureinwohnern bekannt ist, lässt auf einen Irrtum schließen - oder gar einen vollkommenen Hoax. Schließlich waren sensationelle "archäologische Funde", die sich letztlich als gezielter Betrug herausstellten, gerade in der Geschichte der USA nicht gerade selten - die "Zwerge von Tennessee" wären demnach nichts anderes als ein Gegenstück zum "Giganten von Cardiff".

20. November 1903: Tom Horn wird gehängt

 Tom Horn hatte ein überaus bewegtes Leben hinter sich: Mit 14 verließ er das Elternhaus in Missouri, um sich zunächst als Kutscher in Kansa...