Montag, 27. Mai 2024

"Die Besitzer von Rinderherden im großen Südwesten sind die erklärten Feinde der Schafzüchter"

 Die große Zeit der Rinderherden auf der Open Range wird oft romantisch verklärt, doch um das offene Weideland wurde bisweilen regelrecht Krieg geführt - zumindest von einer Seite: Den Rinderzüchtern, ob groß oder klein, war die Präsenz von Schafen auf dem Weideland regelrecht verhasst! Schafe, so hieß es, fräßen die Landschaft derart kahl, dass in der nächsten Saison kein Gras mehr für die Rinder nachwachse; sie jagten Rindern Angst ein und treibe Sie zur Flucht; sie brächten Krankheit und verbreiteten Gestank, so dass die Rinder Tränken meiden würden. Die Wahrheit war für gewöhnlich viel banaler: Die Rinderzüchter wollten keine Konkurrenz um "ihr" Weideland sehen, und nutzen ihre personelle Stärke - Rinderzüchter konnten viele Ranchhands und Cowboys anheuern, während Schafhirten meist nur in geringer Zahl zu zweit oder zu dritt unterwegs waren - aus, um die Konkurrenz einzuschüchtern - gelegentlich mit fatalem Ausgang.

Auch wenn die "Schafkriege" meist in das Ende des 19. Jahrhunderts gelegt werden, brannte der Konflikt für eine sehr lange Zeit: Bereits am 13.Oktober 1877 titelte die Wochenzeitschrift "Harper's Weekly" landesweit, dass in den Plains des Südwestens - womit meist die Regionen Arizona, New Mexico,  Colorado, Nevada, Oklahoma, Texas und Utah gemeint sind - die Rinderbarone den Schafzüchtern ewige Feindschaft geschworen hätten. Speziell in Colorado seien vermummte Cowboys, die Schafhirten bedrohen und Schafherden auf offener Weide keulen oder erschießen, keine Seltenheit:





Diese Konflikte flammten stets von neuem auf, mal in größerer, mal kleinerer Form, und dauerten bis ins 20. Jahrhundert an. Einer der letzten - und gemessen an verlorenen Menschenleben wohl auch tödlichsten - "Sheep Wars", der sogenannte "Spring Creek Raid", ereignete sich am 2. April 1909 in Wyoming: eine Gruppe von 7 vermummten Cowboys überfiel das Nachtlager von drei Schafhirten auf offener Weide. Die Auseinandersetzung endete blutig: zwei Schafhirten verbrannten in ihrem Schäferwagen. Doch die Zeit der übermächtig wirkenden Rinderbarone neigte sich dem Ende entgegen: Hatten in den 50 Jahren zuvor meist die Rinderzüchter die Oberhand behalten, kamen die Täter des Spring Creek Raid - man entschuldige den Wortwitz - nicht ungeschoren davon.

Donnerstag, 16. Mai 2024

"Über Spinnen in Colorado sollte man nicht lachen"

Achtung: Dieses Fundstück ist nichts für Arachnophobiker! 

Eines heutzutage weniger bekanntes, aber in Zeitungen des 19. Jahrhundert sehr verbreitetes Trope des Wilden Westens waren Erzählungen über die gigantischen oder seltsamen Kreaturen, die an der weit entfernten Frontier hausten. Einige dieser Schilderungen scheinen direkt aus einem Horrorfilm entsprungen zu sein. Als altem, erklärtem Fan des Rollenspiels Deadlands freue ich mich immer wieder über solche kurzen Notizen oder Berichte, die mehr als genug Futter für ein weiteres Western-Horror-Abenteuer im "Weird West" dienen könnten.

So etwa auch dieser kurze Beitrag aus dem "Potter Enterprise" aus Cloudersport, Pennsylvania, vom 1. Juli 1880, der etwas über die "Vogelgroßen, merkwürdige Geräusche" machenden Spinnen von Colorado erzählt, deren Spinnweben so fest seien, dass man damit sogar nähen könne...


"Über Spinnen in Colorado sollte man nicht lachen. In einer Höhle in der Nähe von Buena Vista sind sie so groß wie kleine Vögel und geben beim Weben ihres Netzes ein seltsames Geräusch von sich. Bei der Besichtigung der Höhle untersuchte ein Bergmann die Netze. Ihre Fäden hatten etwa die Größe eines 12er Fadens, und er dachte, dass man sie für einen Faden verwenden könnte. Da er eine Nadel hatte, brach er einen der Fäden ab und stellte fest, dass er genau passte. Als er einen losen Knopf annähte, stellte er fest, dass er so stark wie Seide war und jeden Zweck erfüllte."

Mittwoch, 15. Mai 2024

Belle Starr: "Ich habe eine beträchtliche Ignoranz zu ertragen"

Belle Starr, geboren Myra Maybelle Shirley, stammte aus einer wohlhabenden Familie aus Missouri, wurde an einer Schule für feine Damen in Fremdsprachen und Etikette unterrichtet, ehe die Shirleys durch den Bürgerkrieg ihr Vermögen verloren und in Texas einen Neuanfang wagen sollten. Über ihren im Bürgerkrieg gefallenen Bruder, der mit den berüchtigten Quantrill's Raiders unter konföderierter Fahne ritt, lernte sie Jesse James und Cole Younger kennen - und sollte fortan viel Zeit im Umfeld weiterer berühmt-berüchtigter Outlaws verbringen. (Wir haben ihr Leben in der Podcast-Folge zu Belle Starr näher behandelt).

Schon während Ihrer Ehe mit Jim Reed, einem Weggefährten der Cole-Younger-Gang, wurden Ihr Verbrechen (oder wenigstens die Mitwissenschaft darüber) vorgeworfen. Nach dem Tod ihres ersten Ehemannes zog Sie ins Indianerterritorium, genau genommen in die Cherokee Nation, und heiratete mit Sam Starr einen weiteren steckbrieflich gesuchten Outlaw. Es mag wenig überraschen, dass Ihre freundschaftliche Nähe zu einigen der berüchtigtsten Outlaws dieser Zeit und Ihre Entscheidung, einen Cherokee zu heiraten, unter der weißen Bevölkerung des Oklahoma Territories mit Argwohn wahrgenommen wurde - was nur noch mehr zu ihrem Ruf beitragen sollte, eine "Banditenkönigin ("Queen of the Outlaws" zu sein).

Aber wie stand belle Starr selbst zu diesem Ruf? Etwa zwei Wochen nach ihrer bis heute ungeklärten Ermordung druckte der Talequah Arrow, eine in den Cherokee Nations erschienene Zeitung, einen Abriss über Ihr Leben ab, den sie mutmaßlich selbst verfasst hatte. Der Text zeichnet ein Bild von einer sehr gebildeten Frau, die von der sogenannten Zivilisation der anderen Amerikaner enttäuscht und verbittert war, eine Frau, die ihre eigenen Entscheidungen traf und sich wenig um die Meinung anderer "zivilisierter" Männer und Frauen scherte. In ihm bezeichnet Sie Jesse James als guten Freund, distanziert sich von der "Gesellschaft anderer Frauen (die ich durch und durch verabscheue)" und beklagt die Ignoranz einer "niederen Schicht schäbiger Weißer, die das Indianerterritorium zu ihrem Zufluchtsort gemacht haben, um keine Steuern für ihre Hunde zu zahlen." Es ist das Testament einer Frau, die mit der Gesellschaft ihrer Zeit abrechnet und beschlossen hat, ihren eigenen Weg zu gehen und bewusst kein Teil dieser Gesellschaft zu sein - was sie auf Ewigkeit als eine "Outlaw Queen" zeichnen sollte.

Belle Starr about herself - part 1Belle Starr about herself - part 1 21 Feb 1889, Thu The Tahlequah Arrow (Tahlequah, Oklahoma) Newspapers.com

Belle Starr about herself - part 2Belle Starr about herself - part 2 21 Feb 1889, Thu The Tahlequah Arrow (Tahlequah, Oklahoma) Newspapers.com

aa

Dienstag, 7. Mai 2024

"Ein Schreckliches Gefecht Zwischen Pinkerton's Detektiven und den James-Brüdern"

 In unserer Podcast-Episode zu den Pinkerton's erwähnten wir den regelrechten Krieg, den Alan Pinkerton in der Jagd auf die Outlaws Jesse und Frank James vom Zaun brach. Wie in der Western Unchained Folge angesprochen hatte Pinkerton's National Detective Agency in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens wegen ihrer Fahdnungserfolge - etwa beim Aufdecken eines Attentats auf Abraham Lincoln oder der Jagd auf die Reno-Gang - bereits einen fast sagenhaften Ruf erarbeitet. 

Doch mit der Jagd auf die James-Brüder erlitt der Ruf einen beträchtlichen Schaden. Zum einen lag dies sicherlich daran, dass die Pinkerton's bei den Versuchen, Mitglieder der berüchtigten Cole-Younger-Gang zu fassen, mehrere Agenten verlor und wenige Erfolge vorzuweisen hatte. Das frustrierte Alan Pinkerton persönlich, und sollte am 27. Januar 1875 schließlich in einem regelrechten Anschlag auf die Behausung von Zerelda James, der Mutter von Jesse und Frank James, gipfeln, als Agenten - oder von den Agenten angestachelte Handlanger - in der Fehlannahme, die James-Brüder befänden sich in der Behausung - mit tragischem Ausgang. Die gescheiterte Verhaftung, bei der Mrs. James einen Arm und der gerade 8-jährige Halbbruder von Jesse und Frank James sein Leben verlor, sorgte Bundesweit für Schlagzeilen, wie etwa dieser Artikel aus der Chicago Daily Tribune vom 28. Januar 1875 belegt.

Quelle: Chronicling America, Library of Congress


Der Vorfall sollte einen Wendepunkt darstellen, nicht nur in der Art, wie die Öffentlichkeit die Pinkertons wahrnahm, sondern auch im öffentlichen Ansehen von Jesse und Frank James. Sicher, die James-Brüder hatten bereits zuvor gerade unter ehemaligen Konföderierten den Ruf, Rächer der entrechteten Konföderation zu sein. Die Pinkerton's galten dagegen als geheimnisvolle, aber letztlich doch eifrige Verfechter des Gesetzes. Doch mit dem schlecht beratenem Anschlag schlug das Pendel der Öffentlichen Wahrnehmung um: Die James-Brüder erhielten nun umso mehr den Ruf einer Art Robin Hood des Wilden Westens zu sein, die sich gegen Tyrannei und unangemessen schwerer Verfolger zur Wehr setzen mussten. Die Pinkerton's hingegen erhielten wegen ihrer undurchsichtigen Art der Ermittlung und ihrem skrupellosen Vorgehen den Ruf, wenig besser als gedungene Mörder zu sein, die sich nun der gerechten Rache der James-Brüder ausgesetzt sehen müssen, wie etwa der Nashville Union and American (Nashville, Tennessee) am 9. Februar 1875 ausführte,


Quelle: Chronicling America, Library of Congress





Freitag, 3. Mai 2024

"Des Pudel's Friseur"

 Western ist ja oft das Zusammentreffen von Wildnis und Zivilisation. Entsprechend ist es oft eine Mischung aus Verwunderung und Faszination, mit der Zeitungen in den "Wildwest"-Regionen jener Zeit über die Trends in "den großen Städten" berichten. Anaconda war mit um die 9000 Einwohner um die Jahrhundertwende eine der größten Städte Montana (und zeitweise gar als Hauptstadt des Staates im Gespräch). Dennoch konnte der Redakteur des Anaconda Standard nicht umhin, über die "lukrative Profession" zu berichten, die "einige Frauen in den großen Städten" vor 125 Jahren für sich entdeckt haben, eine "gut bezahlte, einfache, simple Arbeit", die nicht Recht in das typische Bild des Wilden Westens passen dürfte: Die eines "Pudel-Friseurs"!

"The Poodle's Barber" (1899) 12 Feb 1899, Sun The Anaconda Standard (Anaconda, Montana) Newspapers.com

Dezember 1880: "Billy the Kid" ist auf dem Kriegspfad - 500$ Kopfgeld!

 Das Jahr 1880 sollte entscheidend sein für die Laufbahn und den Ruf des jungen William Mc Carty. Bislang war er weitgehend nur als "Bi...